Atemgift per Pipeline

Nordrhein-Westfalen: Umweltschützer wollen erneut gegen CO-Rohrleitung klagen

  • Rolf Schraa, Düsseldorf
  • Lesedauer: 3 Min.

Der erbitterte Streit um die 2011 fertiggestellte, jedoch bisher nicht genutzte Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen Krefeld und Dormagen (Nordrhein-Westfalen) geht in eine neue Runde. Am 5. September werden in den Rathäusern entlang der 67 Kilometer langen Leitung zwölf Aktenordner voll mit Unterlagen für geänderte Planungen zu dem Projekt ausgelegt. Umweltschützer haben neuen Widerstand angekündigt. »Wir werden wohl wieder klagen. Die Wahrscheinlichkeit ist fast 100 Prozent«, sagt der Sprecher der Gegner, Dieter Donner.

Die Kunststoffsparte der Bayer AG und ihr heutiges Nachfolgeunternehmen Covestro benötigen Kohlenmonoxid aus dem Werk Dormagen für die Produktion in Krefeld-Uerdingen. Das Krefelder Werk erzeugt den Stoff mit einer älteren Koksanlage zwar auch selbst. Sobald es dort Stillstände gibt, wird es aber für die gesamte Produktion im Werk mit rund 1100 Beschäftigten schwierig. Liefertreue sei im Chemikaliengeschäft mit seinen knappen Margen und dem harten globalen Konkurrenzkampf oberstes Gebot. »Ohne die Pipeline wäre unser Standort Uerdingen isoliert - mittelfristig würde dies zu massiven Einschränkungen der Wettbewerbsfähigkeit führen«, sagt ein Covestro-Sprecher.

Was kritisieren die Umweltschützer? Kohlenmonoxid ist ein tödliches Atemgift, das der Mensch nicht riecht und deshalb nicht bemerkt. Mehrere hundert Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland an Kohlenmonoxidvergiftungen - meist durch defekte Heizungen oder beim Grillen in geschlossenen Räumen. Ein derart gefährlicher Stoff dürfe nicht mitten durch ein dicht besiedeltes Land wie NRW transportiert werden, argumentieren die Gegner der Pipeline. »Keine Risiko-Leitung durch Wohngebiete«, lautet der Slogan der Umweltschützer. Covestro hält die Pipeline dagegen für sicher - sie sei mit den modernsten Schutz- und Informationsmechanismen für den Fall eines Gasaustritts ausgestattet.

Doch warum wurden die Pläne noch einmal geändert? Zunächst einmal sind Planänderungsverfahren bei industriellen Großprojekten nichts Ungewöhnliches. So musste auf 67 Kilometern Leitungsbau immer mal wieder einige Meter von der genehmigten Trasse abgewichen werden, etwa weil Rohre oder Pfeiler im Weg standen. Mit der Planänderung wird so etwas nachträglich glatt gezogen. Wenig problematisch dürfte auch sein, dass Bayer bei dem Bau für einige Kilometer Rohrleitung ein etwas anderes Material benutzt hatte - der Rohrlieferant hatte Lieferprobleme wegen eines Brandes.

Das Problem: Über den 1,50 bis zwei Meter tief versenkten Rohren wurden Kunststoff-Schutzmatten mit rund zehn Zentimeter breiten farbigen Warnstreifen auf jeder Seite verlegt - für den Fall, dass Baggerführer bei Bodenarbeiten auf die Leitungen stoßen. Die Schutzmatten mussten laut Genehmigung einen Meter breit sein, der Konzern verwendete aber Matten mit einem Meter Breite einschließlich der Schutzstreifen - ohne den Streifen waren sie damit zu schmal. Deshalb ist jetzt vorgesehen, den Boden noch einmal komplett aufzureißen und neue, breitere Matten zu verlegen.

Umweltschützer halten es für aberwitzig, wegen der Schutzmattenstreifen auf fast 70 Kilometern Äcker und Vorgärten in Nordrhein-Westfalen erneut aufzureißen, sagt ihr Sprecher. Die Pipeline dürfe einfach nicht in Betrieb gehen. Außerdem sei während des jahrelangen Streits um das Projekt zwischenzeitlich die Umweltverträglichkeitsprüfung bei Großprojekten verschärft worden. Für die Kohlenmonoxid-Pipeline müsse das neue, schärfere Recht gelten, erklärte der Sprecher. Danach sei eine Genehmigung nicht mehr machbar. dpa/nd

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