• Berlin
  • Tag der Erinnerung und Mahnung

Erinnerung an Opfer des Faschismus

Am traditionellen Gedenktag forderten Antifaschist*innen weitere Aufklärung über NSU-Netzwerk

  • Bosse Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) hatte am Sonntag zu einer Kundgebung anlässlich des Tages der Erinnerung und Mahnung aufgerufen. Dieser wird seit 1945 traditionell am zweiten Sonntag im September von Überlebenden der Konzentrationslager und Zuchthäuser begangen um den Opfern des Faschismus zu gedenken. Zu diesem Zweck organisierte der VVN-BdA nicht nur die Kundgebung vor dem Abgeordnetenhaus, sondern auch einen »antifaschistischen Fahrradkorso« zu Orten des Widerstands.

Die jährlich stattfindende Veranstaltung verband diesmal das Gedenken an die Opfer des Naziregimes mit dem an die Opfer der rechtsterroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Gegenüber »nd« sagte Markus Tervooren, Geschäftsführer des Berliner VVN-BdA: »Die Forderungen der Überlebenden 1945 waren damals die selben wie sie heute die Angehörigen der Opfer des NSU stellen: Aufklärung und Gerechtigkeit.«

Bereits seit 1945 würde das Gedenken immer auch mit aktuellen Themen und Forderungen verbunden, so Tervooren weiter. »Wir würden uns ja wünschen, dass es keinen aktuellen Anlass gäbe.« Nach wie vor habe es im Land Berlin aber keinen Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplex gegeben. »Gerade unter einer rot-rot-grünen Regierung, müsste da mehr drin sein«, so Tervooren.

Ähnlich formulierten es auch die Redner*innen auf der Kundgebung. Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe (SPD) schlug für ihre Partei ungewöhnlich scharfe Töne an und kritisierte neben dem Verfassungsschutz auch das Berliner Landeskriminalamt und die milden Urteile im NSU-Prozess. Auch stellte sie unmissverständlich klar: »Der NSU ist und war kein Trio, sondern ein Netzwerk.«

Ihre Kollegin im Bundestag Martina Renner der LINKEN betonte die Rolle die das Land Berlin im NSU-Komplex gespielt habe, auch wenn keiner der bekannten Morde des NSU in der Hauptstadt geschah. So sei die Urheberschaft mehrerer Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Berlin nicht aufgeklärt. Auch warum die Berliner Polizei Personen aus dem Umfeld des Thüringer Heimatschutzes und sächsischer Neonazi-Strukturen mit Verbindungen zum NSU als V-Personen beschäftigt habe, sei noch nicht geklärt worden.

Antonia von der Behrens, Rechtsanwältin und Nebenklage-Vertreterin im beendeten NSU-Prozess in München, sprach von einem Versäumnis der Richter, die Verstrickungen der Strafverfolgungsbehörden in den NSU-Komplex nicht aufgeklärt zu haben. So sei in der Urteilsbegründung nicht auf das Versagen des Verfassungsschutzes hin gewiesen worden. Auch die milden Urteile gegen viele der Angeklagten »stärken die Neonaziszene«, so die Anwältin.

Im Anschluss an die Kundgebung brach ein großer Teil der rund 100 Teilnehmer*innen zum »antifaschistischen Fahrradkorso« auf. Er führte zu Orten des Widerstands und des Widerspruchs durch große Teile Berlins. Besonders im Fokus des ebenfalls jährlich stattfindenden Korsos stand der fast vergessene Widerstand polnischer Arbeiter*innen in Deutschland, die während des zweiten Weltkrieges mehrere Sabotageaktionen und Anschläge durchführten.

Vorbei an verdutzten Touristen radelten die Demonstrant*innen vom Abgeordnetenhaus über die Friedrichstraße zum Innenministerium. Von da aus sollte es mit Zwischenstopps in Moabit und Charlottenburg nach Kreuzberg gehen, wo der VVN-BdA antirassistische Initiativen und Abgeordnete zu einem öffentlichen Gespräch über einen möglichen Berliner NSU-Untersuchungsausschuss eingeladen hatte.

Markus Tervooren zeigte sich nach der Veranstaltung zufrieden. Die inhaltlich starken Reden gäben ihm Hoffnung, dass auch in der Politik noch Interesse an der Aufklärung des NSU-Komplexes bestünde. Er würde sich jedoch wünschen, dass sich am nächsten Tag der Erinnerung mehr Menschen beteiligten.

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