Geld oder Urlaub

In der anstehenden Tarifrunde will es die Eisenbahngewerkschaft ihren Mitgliedern erneut ermöglichen, die Lohnerhöhung in kürzere Arbeitszeiten oder Urlaub umzuwandeln

Höhere Betriebsrenten, mehr Selbstbestimmung bei freien Tagen und 7,5 Prozent mehr Geld - das fordert die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) für ihre mehr als 100 000 Mitglieder, die bei der Deutschen Bahn beschäftigt sind, in der anstehenden Tarifrunde. In einer Mitgliederbefragung war der Wunsch nach höheren Beiträgen des Arbeitgebers zur betrieblichen Altersvorsorge besonders deutlich ausgefallen. Auch das in der vorangegangenen Tarifrunde durchgesetzte Wahlmodell, wonach ein Teil der Lohnerhöhung in Urlaub oder kürzere Wochenarbeitszeit umgewandelt werden kann, wird geschätzt und soll weiterentwickelt werden.

Für Nachwuchskräfte, die auch für die Bahn nicht leicht zu finden sind, will die DGB-Gewerkschaft die Anhebung der monatlichen Ausbildungs- und Studienvergütung um 150 Euro erreichen, zudem sollen der Mietzuschuss für sie steigen und ein einheitlicher Urlaubsanspruch von 28 Tagen gelten.

Die Eisenbahner hatten als erste deutsche Gewerkschaft das Modell »Geld oder Freizeit« durchgesetzt. Andere Gewerkschaften sind seither gefolgt. Die Forderung entspricht offenkundig einem Bedürfnis. Zugleich ist es für die EVG ein »alarmierendes Signal«, wenn Beschäftigte auf einen Teil ihrer Lohnerhöhung verzichten und dafür lieber noch mal mehr Urlaub wollen. »Das zeigt, wie angespannt die Situation an den Arbeitsplätzen mittlerweile ist«, erklärte EVG-Vize und Verhandlungsführerin Regina Rusch-Ziemba.

Wählen konnten die Beschäftigten seit 2016 zunächst in 60 Betrieben, die Gewerkschaft will diese Möglichkeit nun überall durchsetzen, wo sie Tarifverträge abschließt. Wo das Wahlmodell bereits gilt - wie bei der Deutschen Bahn -, fordert sie einen zweiten Nachschlag bei den Urlaubstagen. Zu den bereits zusätzlich verankerten sechs Tagen sollen demnach weitere hinzukommen können. Rund 44 Prozent der Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligten, können sich vorstellen, diese Option zu nutzen. Allerdings ebenso viele (45 Prozent) würden sich für mehr Geld entscheiden. Am wenigsten nachgefragt ist die Umwandlung der Lohnerhöhung in eine Arbeitszeitverkürzung, wohl, weil diese zu klein ist, damit sie sich im Alltag umsetzen lässt und daher eher zu Überstunden führen würde.

Ambivalente Erfahrungen haben Bahnbeschäftigte aber auch mit den zusätzlichen Urlaubstagen gemacht. Denn wenn die Personaldecke dünn ist, und das ist sie meistens, kann man sie nicht in Anspruch nehmen, wie Bahner berichten. Bislang wächst deshalb bei vielen nicht die Freizeit, sondern nur das Langzeitkonto.

Darauf reagiert die Gewerkschaft nun. Zum einen mit der Forderung nach mehr Personal, zum anderen will sie im Rahmen der Tarifverhandlungen den Umgang mit den Guthaben, in die Zeit, Urlaub und Geld eingezahlt werden können, konkretisieren. »Damit unsere Kolleginnen und Kollegen ihre Zeitguthaben aus dem Langzeitkonto in ihrem eigenen Interesse nutzen können, muss deutlicher werden, dass freie Tage während des gesamten Berufslebens selbstbestimmt und flexibel wieder entnommen werden können und nicht erst kurz vor der Rente«, betont EVG-Verhandlungsführerin Rusch-Ziemba. Bislang gibt es solche Arbeitszeitkonten überhaupt nur bei der DB AG. Die Gewerkschaft will sie künftig für alle Betriebe, mit denen sie verhandelt, durchsetzen.

Die Bahn sieht hingegen das Ende der Fahnenstange bei der Arbeitszeitverringerung schon jetzt erreicht. Bei der erstmaligen Wahlmöglichkeit für das Jahr 2018 hätten 58 Prozent der Beschäftigten die sechs zusätzlichen Urlaubstage genommen. Um den Ausfall zu kompensieren, habe man 1500 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt. Die EVG muss sich an diesem Punkt jedenfalls auf deutlichen Widerstand einstellen.

Nach der großen Bahn-Tarifrunde verhandelt die Gewerkschaft bis 2019 in vielen weiteren Unternehmen über höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Die Kernforderungen sind überall gleich. »Für unsere Mitglieder soll klar sein: ganz egal, wo ich arbeite - und auch wenn ich mal die Stelle wechsle - das EVG-Wahlmodell, die arbeitgeberfinanzierte Altersvorsorge und mehr selbstbestimmte Zeit für mich gibt es in jedem Unternehmen, in dem die EVG Tarifverträge abschließt«, so Rusch-Ziemba.

Der erste Termin mit der DB AG ist am 11. Oktober. Am Tag darauf beginnen auch die Verhandlungen der Lokführergewerkschaft GDL, die parallel laufen werden. Sie fordert ebenfalls 7,5 Prozent mehr Geld. Ein neuer Ansatz sind Personalvorgaben: »Erstmals gehen wir in eine Tarifrunde und fordern feste Besetzungsnormen für die Züge des Fern- und Nahverkehrs«, so der GDL-Chef Claus Weselsky. Zudem will die GDL höhere Zulagen für belastende Nachtschichten sowie für Arbeit an Sonn- und Feiertagen erreichen. Beide Gewerkschaften zusammen verhandeln für 154 000 Mitarbeiter der Bahn.

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