R2G fordert weniger Sanktionen

Land Berlin soll Bundesratsinitiative gegen Hartz-IV-Strafen starten

  • Maria Jordan
  • Lesedauer: 3 Min.

SPD, Grüne und Linkspartei wollen durchsetzen, dass jungen Menschen unter 25 Jahren und Familien mit Kindern in Berlin keine Hartz-IV-Leistungen mehr gekürzt werden können. Sie fordern den Berliner Senat deshalb dazu auf, eine Bundesratsinitiative zu starten. Dazu stellten die Fraktionen einen entsprechenden Antrag im Abgeordnetenhaus.

Unter anderem können Jobcenter auch bei den Wohnkosten Leistungen kürzen. Das soll sich künftig ändern. Denn die Sanktionen seien ein Grund, warum Menschen ihre Wohnung verlieren, sagte der Grünen-Abgeordnete Stefan Ziller zu dem Antrag. Angesichts der aktuellen Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt sei das »völlig unverhältnismäßig«. Die Hartz-IV-Gesetze ändern kann aber nur der Bund. Über die Länderkammer hoffe man, die Große Koalition zum Handeln zu bewegen, sagte Ziller.

Die Opposition kritisierte den Vorstoß. »Wie kommt Rot-Rot-Grün dazu, ausgerechnet jungen Hartz-IV-Empfängern die soziale Hängematte weicher und komfortabler zu machen und sie von Sanktionen befreien zu wollen?«, fragte der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Maik Penn, in einer Mitteilung. Der Vorschlag sein »unsozial und ungerecht denen gegenüber, die für Hilfszahlungen hart arbeiten müssen«. Wer betrügt, Termine nicht einhält und ähnliches dürfe nicht sanktionslos bleiben. Junge Hartz-IV-Bezieher*innen müssten notfalls auch mit finanziellem Druck auf den »richtigen Weg« gebracht werden. Auch Florian Swyter (FDP) meint, der Verzicht auf Sanktionsmöglichkeiten werde nicht dazu beitragen, junge Menschen »erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren«.

Die Sanktionsregelungen gelten seit 2007. Seitdem kann das Jobcenter Hartz-IV-Bezieher*innen den Grundbetrag oder Sachleistungen kürzen, etwa wenn sie nicht zu Terminen erscheinen, eine Arbeitsstelle verweigern oder Nebeneinkommen verschweigen. Hartz-IV-Bezieher*innen unter 25 Jahren dürfen dabei laut Gesetz härter bestraft werden als ältere. Ihnen kann der Hartz-IV-Satz vollständig gestrichen werden, wenn sie zweimal nicht zum Termin erscheinen. Dann kann auch der Mietzuschuss gekürzt werden.

In Berlin wurden 2017 laut Bundesagentur für Arbeit insgesamt 143 601 Sanktionen verhängt. 31 389 der Sanktionen richteten sich gegen Jugendliche. Bei 23 Prozent wurden Leistungen gekürzt, im Schnitt um 102 Euro. Der Hartz-IV-Regelsatz für eine alleinstehende Peron liegt bei 416 Euro, für unter 25-Jährige 332 Euro.

Kritiker*innen von links bemängeln, dass der Vorstoß von R2G sich nur auf einzelne Teile der Sanktionierungspraxis bezieht, Leistungskürzungen aber nicht generell abschaffen will. »Damit ist es nicht getan«, sagt Helena Steinhaus vom Verein »Sanktionsfrei«. Die Initiative sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung. »Perspektivisch fordern wir aber eine sanktionsfreie Grundsicherung für alle«, so Steinhaus.

»Wir wollen alle Sanktionen abschaffen, aber die Sanktionsfreiheit für unter 25-Jährige ist ein wichtiger erster Schritt zur Überwindung von Hartz IV«, schreibt Katina Schubert, Arbeitsexpertin der Linksfraktion und LINKE-Landesvorsitzende auf Twitter.

Erst im August hatte die SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles die Diskussion mit ihrer Forderung angeheizt, die Sanktionen gegen Jugendliche abzuschaffen. Im Juni waren zwei Anträge der Fraktionen der Grünen und der LINKEN im Bundestag zur vollständigen Abschaffung der Sanktionen gescheitert. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte Nahles unterstützt und eine Überprüfung der Sanktionen gefordert.

Außerdem plädiert Michael Müller für ein Solidarisches Grundeinkommen. Nach seinen Vorstellungen könnten Langzeitarbeitslose unbefristet versicherungspflichtige Tätigkeiten im gemeinnützigen kommunalen Bereich übernehmen und dafür einen Lohn erhalten, von dem sie leben können. Im Rahmen eines möglichen Pilotversuchs in der Hauptstadt sollen sie nach Tariflohn oder dem Landesmindestlohn bezahlt werden. Mit dpa

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal