Rot-Rot-Grün macht sich krisenfest

Im Nachtragshaushalt sind unter anderem große Rücklagen für die Digitalisierung enthalten

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Berlins Wirtschaft brummt. Die Einnahmen sprudeln. Für dieses Jahr wird ein Wachstum von 2,7 Prozent erwartet, auch im nächsten Jahr soll die Wirtschaftsleistung zulegen. Im rot-rot-grünen Senat stellt man sich derweil dennoch die Frage, wie belastbar eine solche Prognose ist. »Meine Einschätzung ist, dass wir uns an einem Wendepunkt befinden könnten«, erklärte Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus.

In der Aktuellen Stunde debattierte das Parlament am Donnerstag den Nachtragshaushalt. Es liegt natürlich in der DNA eines Finanzsenators, in der Ausgabenpolitik besonnen zu agieren und vor Risiken zu warnen. Finanzsenator Kollatz verweist bereits seit Längerem darauf, dass der Aufschwung, der inzwischen länger dauert als das Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren, nicht ewig anhalten wird. Das Wachstum könnte also ins »Stottern« geraten, auch wenn er das nicht hofft, so der Finanzsenator. Auch um der Wirtschaft in diesem Fall unter die Arme greifen zu können, will das Mitte-links-Bündnis mit seinem nun verabschiedeten Nachtragshaushalt die Investitionen stärken und Rücklagen bilden.

Insgesamt sattelt Rot-Rot-Grün auf den Doppelhaushalt 2018/2019 noch einmal 1,2 Milliarden Euro drauf. Große Brocken sind beispielsweise eine Rücklage in Höhe von 309 Millionen Euro für die Digitalisierung, auch die kriselnden Berliner Bäderbetriebe bekommen 60 Millionen Euro, um endlich den massiven Sanierungsstau in den Schwimmhallen anzugehen und die Öffnungszeiten ausweiten zu können. Ebenfalls profitieren sollen - wie berichtet - die landeseigenen Klinikkonzerne Charité und Vivantes. Auch die Feuerwehr soll mehr Geld zur Anschaffung von Löschfahrzeugen erhalten.

»Das ist ein Entlastungshaushalt, ein sozialpolitischer Haushalt«, sagte der Haushaltsexperte der SPD-Fraktion, Torsten Schneider. Für die Sozialdemokraten, aber auch für die rot-rot-grüne Koalition insgesamt war es wichtig, dass die Verwendung der Überschüsse für die Berlinerinnen und Berliner auch spürbar sind. Deshalb plant die Koalition unter anderem, dass ab Mitte 2019 das Schülerticket kostenlos wird. Auch das Schulessen soll in einem ersten Schritt für Grundschüler in den Klassen eins bis sechs kostenlos werden (»nd« berichtete).

Für die LINKE war besonders wichtig, dass der Grundstücksankaufsfonds zum Erwerb von Liegenschaften und Wohnungen um 50 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro aufgestockt wird. »Wir wollen das öffentliche Eigentum vergrößern«, sagte Steffen Zillich von der Linksfraktion in der Debatte. Es gehe um die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand für die soziale Infrastruktur und den Schutz der Mieter. »Es ist nur logisch, dass Rot-Rot-Grün die Überschüsse nimmt und investiert: in ein solidarisches und ökologisches Berlin«, so Zillich.

Ähnlich argumentierte die Sprecherin der Grünenfraktion für den Haushalt. »Wir brauchen eine Stadtgrün-Offensive«, sagte Anja Schillhaneck. Die Grünen hatten geschaut, wo es Programme gibt, die bereits gut laufen. Deshalb nimmt die Koalition beispielsweise zusätzliches Geld für Spielplätze in die Hand. Die Mittel für das Spielplatz-Programm waren in den vergangenen Jahren nahezu vollständig abgerufen worden. Nun wird das Programm noch einmal verstärkt.

Um die Maßnahmen und Investitionen finanzieren zu können, hat sich die Koalition verständigt, die ursprünglich vorgesehene Summe für die Tilgung herabzusetzen. »Das machen wir aus gutem Grund«, sagte Schillhaneck. »Jetzt, wo es geht, wird eine Rücklage gebildet.«

Das Nutzen von finanziellen Spielräumen, um eine Vorsorge für die Zukunft zu treffen, wurde von der Opposition scharf angegriffen. Die FDP monierte, dass die Koalition bereits jetzt Mittel in Höhe von 700 Millionen Euro aus dem Doppelhaushalt nicht ausgegeben habe. Statt die Stadt wie »ein Tamagotchi pausenlos zu füttern«, forderte die FDP-Abgeordnete Sibylle Meister eine Senkung des Hebesatzes der Grundsteuer.

Die oppositionellen CDU und AfD lehnten den Nachtragshaushalt ebenfalls ab. »Wir könnten einen weiteren Beitrag zum Schuldenabbau leisten«, forderte der Haushälter der Union, Christian Goiny.

Wie viel Geld übrig bleibt, um den Schuldenberg in Höhe von 58 Milliarden Euro abzutragen, steht unterdessen erst mit dem Jahresabschluss zu Beginn des neuen Jahres fest. Wer den bedächtigen Finanzsenator kennt, weiß, dass der haargenau die Kriterien des Stabilitätsrats einhält. »Ein Nachtragshaushalt macht Sinn, wenn man zu einer signifikanten Tilgung kommt«, sagte Kollatz.

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