Amad Ahmad absichtlich verwechselt?

Neue Ungereimtheiten im Fall des syrischen Kurden - Datensätze der Polizei waren möglicherweise manipuliert

  • Dennis Pesch
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Fall des in der Justizvollzugsanstalt Kleve (Nordrhein-Westfalen) durch einen Zellenbrand im September umgekommenen Amad Ahmad gibt es neue Bedenken an der offiziellen Darstellung, wonach der syrische Kurde bei seiner Verhaftung im Sommer 2018 verwechselt worden sein soll. Nach den Recherchen der WDR-Magazine »Monitor« und »Westpol« sei »eine gezielte Manipulation von Datensätzen nicht mehr auszuschließen, die schließlich zur monatelangen Inhaftierung von Amad A. führte«, heißt es in einer Pressemitteilung der beiden Magazine.

Bisher hatten das nordrhein-westfälische Innen- und Justizministerium in mehreren hundertseitigen Berichten detailliert beschrieben, wie es zur Inhaftierung gekommen sein soll. Die Polizei im Niederrheinischen Geldern soll demnach den Kurden verwechselt haben, nachdem sie seine Fingerabdrücke überprüften und die Datenbank einen Treffer ausspuckte: »Amed Amed«. Schon damals konnten die Beamten nicht zweifelsfrei die Identität feststellen, da Ahmad keine Ausweispapiere mit sich geführt habe. Als die Polizisten nach »Amed Amed« in der Datenbank suchte, soll es einen weiteren Treffer gegeben haben: Amedy G. aus Mali, der »Amed Amed« angeblich als Alias-Namen angegeben hatte. In der Wache sei man davon ausgegangen, dass es sich um den per Haftbefehl gesuchten Amedy G. gehandelt habe. In der offiziellen Version der Behörden teilten die beiden Männer also den gleichen Namen.

Da auf Amedy G. zwei Haftbefehle des Landeskriminalamts (LKA) Hamburg ausgestellt waren, suchte die Polizei Geldern den Kontakt mit den Kollegen in Hamburg. Nun stellt sich nach Recherchen der WDR-Magazine heraus: Einem Schreiben des LKA Hamburg zufolge, das den Redaktionen vorliegt, hätte es am Tag der Verhaftung bei der Datenabfrage allerdings »keinen Treffer auf den Datensatz« des per Haftbefehl gesuchten Maliers »geben dürfen«, weil es eine solche Datenverbindung zu diesem Zeitpunkt gar nicht gegeben habe.

Die Redakteure suchten nach weiteren Abfrageprotokollen in der »wichtigsten Datenbank der Polizei, INPOL«. Auch diese sollen der offiziellen Darstellung widersprechen. Das Bundeskriminalamt hat demnach die Abfrageergebnisse zum Zeitpunkt der Verhaftung rekonstruiert: »Auch hier findet sich keine Verbindung zwischen dem Syrer Amad A. und dem Malier«, heißt es.

Aus den Ermittlungsakten soll hervorgehen, dass der Aliasname »Amed Amed« in den Datenbanken erst nachträglich, drei Tage nach der Verhaftung von Amad Ahmad, dem Malier zugeordnet wurde.

Die Magazine kontaktieren die IT-Expertin Annette Brückner, die für verschiedene Polizeibehörden IT-Programme entwickelt hat. Der Aliasname »Amed Amed« sei für den Malier nicht als neue Aliaspersonalie angelegt worden. Stattdessen sei ein schon bestehender Aliasname gelöscht und durch »Amed Amed« ersetzt worden. Brückner schließt einen Fehler im System oder ein Versehen als Ursache aus: »Hier sind ganz gezielt mehrere Einzeleinträge verändert worden. Von daher gehe ich davon aus, dass es eine vorsätzliche Veränderung, also vorsätzliche Manipulation dieses Datensatzes war, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen.«

Auch die Initiative Amad Ahmad, die sich für die Aufklärung der Todes- und Inhaftierungsumstände einsetzt, ist erschüttert von den Neuigkeiten. Die Mitglieder der Initiative sind Freunde Ahmads. Einer von ihnen, Filiz O., sagte dem »nd«: »Ich denke, das war so gewollt. Die Behörden sollten nun endlich auch einen rassistischen Hintergrund nicht mehr ausschließen und aktiv in diese Richtung ermitteln. Wir sind froh, dass ›Monitor‹ es geschafft hat, das herauszufinden, sonst wäre das wieder vertuscht worden.« Die Staatsanwaltschaft Kleve war für ein Statement nicht zu erreichen.

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