»Die Rhetorik ist sehr gewaltbereit«

Ein Video mit Aussagen von AfD-Politikern soll die Partei entlarven

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Fraktionschefin im Bundestag der AfD, Alice Weidel, spricht vor ihren Parteianhängern: »Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte«. Ihre Stellvertreterin Beatrix von Storch sagt bei Anne Will: »Die Willkommenskultur ist beendet«. Alexander Gauland, Vorsitzender der Rechtsaußenpartei, sagt im öffentlich-rechtlichen Sender Phoenix: »Wenn man Krieg haben will, in diesem Bundestag, dann kann man auch Krieg kriegen«. Und das ist erst der Anfang. Daniel Schmidt, vom Radiosender Rederei FM, hat ein Video mit den schlimmsten Aussagen von AfD-Abgeordneten gemacht - zehn Minuten geballte Hetze. Im Interview erzählt er, was er damit erreichen will.

Daniel Schmidt

Daniel Schmidt ist Gründer von Rederei FM. Das ist ein Radioformat des Freien Radio Berlin Brandenburg ist. In Berlin findet man den Sender auf 88,4 und in Potsdam auf 90,7.

Das Video »Best of AfD - Hate Edition 2019« wurde am 23.04.2019 auf der Facebookseite der Rederei FM geteilt und innerhalb weniger Stunden mehr als 50.000 Mal angesehen. Was wollt ihr mit dem Video erreichen?

Immer wieder haben uns Leute in Kommentaren geschrieben, dass die AfD gar nicht so schlimm sei, rhetorisch. Und wir sollen doch bitte mal irgendwelche Beispiele bringen. Irgendwann waren wir das ganze Leid, immer einzelne Videos dazu raussuchen zu müssen. Deswegen habe ich mich hingesetzt und mir einfach mal über drei Monate AfD-Videomaterial angeguckt.

Wo gab es diese Kommentare?

Auf YouTube, Facebook, Twitter, selbst bei Instagram, mittlerweile.

Was genau haben Sie sich angesehen?

Komplette Interviews, Livestream-Geschichten die teilweise über drei Stunden gingen, also graue Haare kriegt man da auf jeden Fall schnell.

Was ist Ihnen dabei aufgefallen?

Für mich hat sich sehr schnell herauskristallisiert, das die Rhetorik sehr gewaltbereit ist. Gewaltbereit in dem Sinne, das sie halt entweder immer ausgrenzend ist, oder immer versucht, den politischen Gegner, so Marke Franz Josef Strauß, zu beleidigen. Da kommt dann wenig konstruktives. AfD-Politiker sprechen oft über die links-grün versiffte Merkelregierung, die Diktatur, über den Volksaustausch und den Volkstod. Diese Rhetorik wollte ich einfach mal bündeln.

Wie ist die Resonanz des Videos bisher?

Von den Linken, oder sagen wir besser Mitte-Links bis Linken, kommt natürlich eher so »Kotz«. Weil sie genau verstehen, was in dem Video vorkommt. Im Endeffekt ist es pure Schwurbelei mit Hass und mit null Information. Es wird mit gefährlichem Halbwissen geglänzt.

Gibt es auch Kritik?

Ja, die kommt von AfDlern, also von AfD-Wählern oder Sympathisanten. Das sieht man sofort, wenn man sich die Profile anguckt. Die kritisieren, dass die Äußerungen aus dem Zusammenhang gerissen sind. Auf die rhetorische Gewalt gehen sie gar nicht ein. Sie schreiben, dass es manipulative Lügenpresse sei. Das ist es im Endeffekt ja auch. Machen wir uns nichts vor. Es ist ein Zusammenschnitt.

Aber deswegen ist es keine Lüge.

Richtig, es ist keine Lüge.

Es ist doch eine gängige Form, das man Sachen zusammenschneidet oder auch nur die Hälfte zitiert. Wenn jemand das Wort »Neger« benutzt, dann ist es nicht aus dem Kontext gerissen, das geht nicht. Punkt.

Genau, deshalb haben wir auch unter das Video geschrieben, wer was gesagt hat. Unter dem Video findet sich eine Auflistung, der Personen, die in dem Video vorkommen. Die Rhetorik von den Fraktionsspitzen, also Weidel, Beatrix von Storch, Alexander Gauland, aber auch von Stefan Brandner aus Thüringen, ist kaum auszuhalten. Da kannst du nicht komplette Interviews bringen. Das würde einfach den Rahmen sprengen, sonst hätte ich da ein Zwei-Tages-Video machen müssen. Deshalb muss ich natürlich die schärfsten Aussagen so zusammenschneiden.

Was ist Ihnen an der Kritik von AfD-Sympathisanten aufgefallen?

Ich habe das Gefühl, sie haben das Video gar nicht gesehen und es wird einfach nur kommentiert, um einen Kommentar dagegen zu haben. Das bestätigt, was ich seit 2013 bei der AfD sehe: es kommen immer von irgendwo irgendwelche Leute her, die einfach dann so einen klassischen 'Whataboutism' anwenden.

Aber Kritik von Linken gibt es bisher nicht?

Nein. Wir hatten gestern die Diskussion, aber eher intern. Ein Kollege von mir meinte, das es für Leute, die schon sehr hasserfüllt sind, ein schöner Zusammenschnitt ist.

Das Video könnte von solchen Leuten als Werbung für die AfD genutzt werden.

Ja, das ist uns schon mal passiert, mit einem Video, das wir von Stefan Brandner gemacht haben. Da hat er in Thüringen auf irgendeiner Freiluftveranstaltung erzählt, bei der Antifa bekäme man 30€ Demogeld und ich hab daraus ein Video gemacht.

Stefan Brandner hat das Video selbst geteilt?

Genau der hat es geteilt und gesagt: »Danke, ihr linksgrün-versifften, das ihr für mich Werbung macht«. Er hat nicht gesehen, dass er in dem Video bloß gestellt wird und mehrere Logos von der Antifa eingebaut waren. Ich wurde danach sogar vom ARD-Faktenfinder angefragt, ob das Video von ihm selbst war.

Sie gehen also davon aus, dass das neue Video auch wieder von AfDlern unter sich geteilt wird?

Ja, na klar. Wenn das nicht passiert, dann wäre es nicht die AfD.

Und trotzdem finden Sie es richtig, so ein Video zu machen, ohne dass die Aussagen der AfD-Politiker kommentiert oder eingeordnet werden?

Ja. Das Video ist im Endeffekt für alle Personen, die ein bisschen Empathie haben und einfach keine Lust haben, sich gegenseitig verbal auf die Fresse zu hauen. Für die ist es ein perfektes Werkzeug.

Redet ihr bei Rederei FM auch mit AfD-Politikern?

Nein. Wir hatten mal zwei Anfragen an Beatrix von Storch gestellt, weil wir die unbedingt haben wollten, aber da kam von ihrem Büro oder sogar von ihr selbst die Absage. »Nein, mit unseriösen Linken reden wir nicht« hieß es.

Das heißt, ihr habt schon Interesse, mit AfD-Politikern zu sprechen? Ihr würdet nicht per se sagen, dass man mit denen nicht reden kann?

Die Anfrage ist mittlerweile drei Jahre alt. Ich würde heute schon sagen, man kann mit ihnen nicht mehr reden.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal