Schleppende Aufklärung nach Tod in Uniklinik

Vorwürfe gegen Polizei aus Hamburger Black Community / SPD und Grüne zurückhaltend im Gesundheitsausschuss

  • Reinhard Schwarz, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Berichte über die Umstände des Todes des Kameruners William Tonou-Mbobda im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) am Freitag sind lückenhaft. Fest steht, dass der 34-jährige Student sich zunächst freiwillig wegen einer Erkrankung in die psychiatrische Abteilung des Klinikums begeben hatte. Als sich sein psychischer Zustand verschlechterte, sollte er in die geschlossene Abteilung der Klinik eingewiesen werden.

Nach übereinstimmenden Berichten setzte sich der Student auf eine Bank vor der Klinik, um eine Zigarette zu rauchen. Als er sich gegenüber dem Krankenhauspersonal weigerte, eine Tablette einzunehmen, sollen sich drei Mitarbeiter des Sicherheitspersonals auf den Mann gestürzt haben mit dem Ziel, ihn zu fixieren. Dabei sollen die Security-Männer laut »Hamburger Abendblatt« und »taz« den Patienten zu Boden geworfen und »immer wieder« in die Nieren getreten haben.

Eine Krankenhausmitarbeiterin habe dem Studenten dann ein Beruhigungsmittel verabreicht. Daraufhin verlor der Mann das Bewusstsein und musste reanimiert werden. Später wurde er in ein künstliches Koma versetzt und verstarb fünf Tage später.

Das UKE gibt sich wortkarg. Die zwei Erklärungen nach dem Tod von Tonou-Mbobda lassen viele Fragen unbeantwortet, wie etwa die nach der Rolle des Security-Personals und einer anwesenden Ärztin. In einer Erklärung des UKE heißt es: »Wir sind zutiefst bestürzt über den Tod unseres Patienten Herrn Tonou-Mbobda. Unser Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen. Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst und unterstützen die vorbehaltlose Aufklärung der Ereignisse mit allen Kräften.«

In einer ersten Stellungnahme vom 26. April hieß es noch beschönigend: »Am Sonntag, 21. April, ist es bei der Unterbringung eines hilfsbedürftigen Patienten in der psychiatrischen Klinik zu einem medizinischen Zwischenfall gekommen.« Der Patient habe »sich der Anordnung der Unterbringung widersetzt und musste von dem zwischenzeitlich hinzugerufenen Sicherheitsdienst des UKE fixiert werden, als er aus bisher ungeklärten Umständen zusätzliche medizinische Hilfe benötigte«.

Nach Recherchen von Panorama 3 hatten drei Sicherheitskräfte Gewalt angewendet. Einer habe dem Kameruner immer wieder sein Knie in den Rücken gerammt, ein anderer ihn in den Schwitzkasten genommen. »Der kleine Glatzköpfige hatte auf ihn eingeboxt«, sagte laut Panorama eine Augenzeugin. Panorama-Reporterinnen fanden auch heraus, dass zur Zeit des Geschehens ein Antrag auf Einweisung von Tonou-Mbobda noch nicht vorlag.

Mittlerweile gibt es ein erstes, vorläufiges Obduktionsergebnis. Tonou-Mbobda starb laut Staatsanwaltschaft an Herzversagen. Unklar sei, ob noch andere Umstände wie etwa eine Vorerkrankung ursächlich für den Tod des Kameruners gewesen sein könnten. Das Landeskriminalamt ermittele wegen des Verdachts auf Körperverletzung mit Todesfolge.

In einem offenen Brief werfen Vertreter der Hamburger Black Community der Klinik-Leitung vor, Rassismus durch den Sicherheitsdienst zu dulden und forderten die Suspendierung der beteiligten Männer. Auch gegen die Ärzte und Pfleger, die das Vorgehen der Security mutmaßlich duldeten, müsse ermittelt werden. Weiterhin wirft die Community der Polizei vor, Zeugenaussagen von Patienten nicht ernst genommen zu haben. Zudem seien Augenzeugen von Klinikpersonal eingeschüchtert worden.

Die Hamburger Linksfraktion teilte am Donnerstag mit, dass die Regierungsparteien SPD und Grüne die Selbstbefassung mit dem Vorfall in der Sitzung des Gesundheitsausschusses abgelehnt hätten. Deswegen beantragte die LINKE eine Sondersitzung des Ausschusses für den 10. Mai. »Die Familie des Verstorbenen und die Öffentlichkeit erwarten zu Recht auf allen Ebenen die vollständige Aufklärung des Vorfalls. Es muss auch möglichst schnell wieder das Vertrauen ins UKE und in die psychiatrische Versorgung wiederhergestellt werden«, erklärte Deniz Celik, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal