Rot-Grün-Rot naht in Bremen

Grünenspitze will kein Jamaika-Bündnis - Mitgliederversammlung entscheidet

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

In eine »komfortable Lage« seien die Grünen dank des guten Ergebnisses von 17,4 Stimmenprozent bei der Bremer Bürgerschaftswahl am 26. Mai gelangt, und oft werden sie seither mit Blick auf die Regierungsbildung als »Zünglein an der Waage« betitelt. Das sagte die Spitzenkandidatin und Fraktionsvorsitzende der Partei, Maike Schaefer, am Mittwochabend vor der Presse. Aber solch ein Zünglein wolle die Grünenfraktion nicht sein, sondern »Gestalterin und Herz« einer künftigen rot-grün-roten Koalition.

Zwar habe es auch mit den möglichen Jamaika-Partnern CDU und FDP gute und offene Sondierungsgespräche gegeben, berichtete Schaefer, ohne Details aus diesen Begegnungen zu offenbaren. Aber mit SPD und LINKEN sei man »in ganz vielen Punkten weitergekommen«. So etwa in Sachen Klimaschutz, Verkehrswende, Bildung, Armutsbekämpfung und Integration. Und gemeinsam werde man auch das Motto »klare Kante gegen Rechts« leben in einer künftigen, weltoffenen Koalition.

Um sie zu bilden, sollen nun Verhandlungen mit der SPD und der Linkspartei aufgenommen werden. Vorausgesetzt, eine für Donnerstagabend anberaumte Landes-Mitgliederversammlung stimmt diesem Vorschlag des Grünen-Vorstandes zu. Auch die LINKEN wünschen sich vor einem Bündnis mit Sozialdemokraten und Ökopartei ein Mitgliedervotum und haben deshalb für denselben Abend einen Sonderparteitag angesetzt.

Insider gehen davon aus, dass die Mehrheit beider Versammlungen den Gang in die Koalitionsverhandlungen absegnet. Allerdings habe »die Sondierungsgruppe« der Grünen auch zahlreiche Zuschriften bekommen, sagte Maike Schaefer, in denen ihr ein Jamaikabündnis mit CDU und FDP empfohlen worden sei. Aber etwa ebenso viele haben sich für Rot-Grün-Rot ausgesprochen, so die Fraktionschefin, und »wir wissen, dass wir mit unserem Vorschlag nicht alle glücklich machen können«.

Sympathie für das wohl nahende Bündnis hatte auch die Spitze der Linkspartei im Vorfeld der Wahl gezeigt. Voraussetzung sei jedoch ein Ergebnis von über zehn Prozent, hatte Landesvorsitzende Kristina Vogt eingeschränkt, denn man wolle »kein Anhängsel« in einer Dreierkoalition sein. Jene Vorgabe ist erfüllt: 11,3 Prozent der Wähler entschieden sich für die LINKE. Einhellige Begeisterung allerdings löst die nun erstmals gegebene Möglichkeit zum Mitregieren nicht aus unter ihren Mitgliedern. Neben dem Vorschlag des Landesvorstandes, die Koalitionsverhandlungen aufzunehmen, findet sich im »Antragsheft« zum Sonderparteitag auch die Forderung, dies nicht zu tun. Eine der teils sehr ausführlichen Begründungen: »Die Grünen und die SPD sind Parteien, die insgesamt den Kapitalismus nicht infrage stellen.«

Aufatmen angesichts des Grünen-Vorschlags dürfte die SPD. Ihr historisch schlechtes Wahlergebnis von 24,9 Prozent - im Vergleich zu 2015 ein Erdrutsch um knapp acht Prozentpunkte - erlaubt ihr im Bündnis mit Grünen und LINKEN den Verbleib in der Regierung. Für die Fortsetzung von Rot-Grün wären die Sozialdemokraten zu schwach, eine Große Koalition mit der CDU, die mit 26,7 Prozent erstmals als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgegangen war, hatte Bürgermeister Carsten Sieling von vornherein ausgeschlossen. Hätte sich der Grünen-Vorstand für Jamaika entschieden, mit der Union und der FDP, die mit 5,9 Stimmenprozent in die Bürgerschaft kommt, wären die Sozialdemokraten nach 73 Jahren als führende Kraft des kleinsten Bundeslandes in der Opposition gelandet - ein weiteres Desaster für die angeschlagene SPD.

Ob Sieling Bürgermeister bleibt in einer rot-grün-roten Regierung? Zu Personalfragen anderer Parteien gäben sie keine Stellungnahmen ab, ließen Maike Schaefer und Grünen-Landesvorsitzender Hermann Kuhn die Medien wissen. Kein Geheimnis ist, dass mehrere Genossen im SPD-Landesverband wegen des katastrophalen Wahlergebnisses den Rücktritt des seit 2015 amtierenden Stadtchefs fordern.

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