Mit Regenschirmen gegen Pfefferspray

Regierungskritische Demonstranten versuchen Regierungssitz zu stürmen

  • Lesedauer: 3 Min.

Hongkong. Am Montagabend haben Hunderte Protestler das Stadtparlament von Hongkong besetzt. Schon am Morgen des Jahrestags der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie Hongkong an China haben regierungskritische Demonstranten versucht, den Sitz der Regionalregierung zu stürmen.

Es waren Polizeikräfte mit Gasmasken im Inneren des Gebäudes zu sehen. Die Beamten sprühten von oben Pfefferspray auf die Demonstranten, die sich mit Regenschirmen dagegen schützten. Einige demokratische Abgeordnete versuchten einzuschreiten und die Demonstranten von einer Erstürmung des Gebäudes abzuhalten - doch vergebens. »Dies ist nicht das, was wir wollen, aber die Regierung hat uns gezwungen, uns so auszudrücken«, sagte der 20-jährige Demonstrant Benny.

Parallel zur Erstürmung des Parlaments in Hongkong nahmen am Abend Hunderttausende Menschen an einem friedlichen Protestmarsch teil. In Hongkong gibt es seit Wochen heftige Proteste, die sich zunächst vor allem gegen ein geplantes Auslieferungsgesetz des pekingtreuen Legislativrat. Das Auslieferungsgesetz würde es Hongkongs Behörden erlauben, von China beschuldigte Personen an die Volksrepublik auszuliefern. Kritiker warnen, Chinas Justiz sei nicht unabhängig und diene der politischen Verfolgung. Auch drohten Folter und Misshandlungen.

Lesen sie auch zum Thema: Mobilisierende Angst. Die Proteste in Hongkong zeigen, dass Peking zu weit gegangen ist mit seinem jüngsten Vereinnahmungsversuch. Von Finn Mayer-Kuckuk, Hongkong

Nach dem Prinzip »Ein Land, zwei Systeme« wurden der früheren britischen Kronkolonie bei der Übergabe 1997 eigentlich bis 2047 politische Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit zugesichert, die in China nicht gelten. Angesichts der Entwicklung in den vergangenen Jahren sehen viele Hongkonger diese Freiheiten in Gefahr.

Anders als sonst üblich verfolgten Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam und die geladenen Gäste die traditionelle Fahnenzeremonie zum Jahrestag nicht im Freien, sondern auf einem Bildschirm in einem nahe gelegenen Kongresszentrum, was offiziell mit schlechtem Wetter begründet wurde.

In einer Rede anlässlich der Feierlichkeiten entschuldigte sich Lam am Montag erneut für ihr Vorgehen. Sie betonte aber, in guter Absicht gehandelt zu haben: »Ich werde meine Lektion lernen und sicherstellen, dass die zukünftige Arbeit der Regierung enger und besser auf die Bestrebungen, Gefühle und Meinungen der Gemeinschaft eingeht.« Die Hongkonger Führung müsse dringend ihren Regierungsstil reformieren, was von ihr selbst ausgehen werde. Weiter versprach Lam, sich um mehr Wohnraum zu kümmern und das Bildungs- und Gesundheitssystem zu stärken.

Lams Rede im Kongresszentrum wurde von der pro-demokratischen Abgeordneten Helena Wong Pik-wan unterbrochen, die wiederholt rief: »Carrie Lam tritt zurück, zieh das böse Gesetz zurück«. Anschließend wurde die Abgeordnete von Sicherheitsleuten aus dem Raum gebracht. Agenturen/nd

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