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LINKE am Boden

Nach den Landtagswahlen ist das Entsetzen groß / In die Erklärungsversuche mischen sich erste Erneuerungsrufe

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

Acht Prozent Verlust: In Sachsen fiel die Linkspartei im Vergleich zur Wahl 2014 von 18,9 auf 10,4 Prozent, in Brandenburg, wo sie bislang mit der SPD regierte, von 18,6 auf 10,7 Prozent. Die Parteiführung, die sich gemeinsam mit LINKE-Spitzenpolitikern aus beiden Ländern am Montag in der Bundespressekonferenz erklärte, suchte nach angemessenen Worten. »Bitter«, »enttäuscht«, »verheerend«, »kein Weiter-so« ... Das Ausmaß der Verluste sei so hoch, dass man nicht einfach darüber hinweggehen könne, meinte Bernd Riexinger. Die Ursachen seien aber auch nicht ganz einfach zu identifizieren, befand der Parteichef.

Mit seiner Kovorsitzenden Katja Kipping bemühte er sich dennoch: eine Mobilisierungsschwäche auf den letzten Metern des Wahlkampfes, Alters- und damit Kampagnenprobleme in den Landesverbänden, ein Imageproblem, das die LINKE als inzwischen etablierte Partei besonders im Osten hat. Aber auch wahltaktisches Verhalten der Wähler. So hätten viele bisherige Linksparteiwähler sich diesmal für eine andere Partei entschieden, um zu verhindern, dass die AfD stärkste Kraft wird. 31 000 Wähler, die bei der Wahl 2014 in Brandenburg für die LINKE gestimmt hatten, entschieden sich diesmal für SPD oder Grüne. In Sachsen gaben gar 42 000 bisherige LINKE-Wähler ihre Stimme an CDU, SPD und Grüne - möglicherweise tatsächlich Ergebnis einer taktischen Wahl.

Zugleich ist die LINKE neben der CDU Hauptspender der Parteien an die AfD. Den größten Teil ihres Zuwachses erhielt die AfD zwar aus dem Nichtwählerlager - in Brandenburg 107 000, in Sachsen 241 000. Doch die Wanderung von Stimmen der LINKEN an die AfD ist beträchtlich: in Sachsen waren es 26 000 (nur die CDU »spendete« mit 81 000 noch mehr) und in Brandenburg 11 000 (28 000 CDU und 12 000 SPD). Hier stellt sich die Frage nach den Gründen. Kipping verweist auf die anhaltende Ostkompetenz ihrer Partei. Tatsächlich wird der LINKEN hier eine höhere Kompetenz zugebilligt als allen anderen Parteien. In Brandenburg bestätigten das 26 Prozent der Wähler, in Sachsen 25 (AfD: 13 und 23 Prozent).

Auswerten, »ohne Tabus«

AfD ist Wahlgewinner in Sachsen

Die Parteispitze lehnte eine Erörterung weiterer, gar persönlicher Konsequenzen am Montag unter Hinweis auf die Landtagswahl in Thüringen ab. In acht Wochen geht es hier um die Verteidigung des ersten und bisher einzigen Ministerpräsidentenpostens der Partei. Bodo Ramelow steht in Thüringen an der Spitze einer rot-rot-grünen Koalition. Im Wahlergebnis am Wochenende und der Bestätigung der jeweiligen Amtsinhaber Dietmar Woidke (SPD) und Michael Kretschmer (CDU) sah Ramelow am Montag schon mal ein ermutigendes Zeichen. »Der Osten bleibt regierbar«, schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Katja Kipping kündigte gleichwohl an, man werde das Ergebnis selbstkritisch auswerten - »ohne Tabus«. Nicht hilfreich wäre es jedoch nach ihren Worten, »wenn wir jetzt so ein Modell reflexhafte Schuldzuweisungen oder das Modell Schlachteplatte fahren«. Die prophylaktische Ansage deutet Kampfbereitschaft an - und Beharrungswillen.

Ob die Geduld in der Partei ausreicht, wird sich zeigen. Es rumort hörbar. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch brachte bereits einen vorgezogenen Parteitag ins Spiel. »Strategische, programmatische und weitere Grundfragen« müssten gestellt und beantwortet werden, schrieb Bartsch auf Twitter. Er glaube, es sei sinnvoll, den nächsten Parteitag »zeitnah nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg« einzuberufen, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Die Hamburger Wahl findet im Februar statt. Bartsch: »Das Entscheidende wird nach Thüringen die Bundestagswahl sein, und bis dahin haben wir nicht mehr viel Zeit.«

Kritik an der Parteispitze

Auch Bundestags-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht ließ erkennen, dass sie eine Strategiedebatte für angeraten hält. »Offensichtlich wird die LINKE von vielen ihrer früheren Wähler nicht mehr als Kraft wahrgenommen, die ihre Interessen ernst nimmt und ihr Leben zum Besseren verändern will. Ich finde das schlimm und das muss sich ändern«, schrieb sie in einer Erklärung. »Die LINKE muss wieder zu einer Alternative für all diejenigen werden, die von der herrschenden Politik seit Jahren im Stich gelassen werden.«

Harte personelle Konsequenzen forderte über Twitter der Rostocker Sozialsenator Steffen Bockhahn. »Da stimmt was mit dem Profil der LINKEN nicht.« Verantwortlich für »dieses Desaster« seien die beiden Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger. »Sie haben ihre Zukunft hinter sich. Wir brauchen jetzt einen Neuanfang!«

»Wir müssen uns nicht neu erfinden«, meinte hingegen Bernd Riexinger in Berlin. Es seien neue gesellschaftliche Fragen entstanden - wie der Klimaschutz oder die Umbrüche im industriellen Bereich, die neuer Antworten harrten. Doch die Verluste vom Wochenende seien »zu hoch, die Einschnitte zu tief«, als dass diese auf persönliches Versagen allein zurückgeführt werden könnten.

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