Wahl von NPD-Ortsvorsteher schlägt hohe Wellen

Bundesweit Fassungslosigkeit bei SPD, Grünen, CDU und LINKEN

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die Wahl eines Politikers der rechtsextremen NPD zum Ortsvorsteher im hessischen Wetteraukreis mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP schlägt auch bundespolitisch hohe Wellen. CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte am Sonntag im ARD-»Sommerinterview«, die Wahl des NPD-Funktionärs Stefan Jagsch zum Ortsvorsteher des Ortsteils Waldsiedlung in Altenstadt müsse rückgängig gemacht werden. Ähnlich äußerte sich SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Der Vorgang sei »unfassbar und mit nichts zu rechtfertigen«.

Jagsch war am Donnerstagabend von den sieben anwesenden Vertretern von CDU, SPD und FDP einstimmig gewählt worden, wie mehrere Medien übereinstimmend berichteten. Demnach gab es keinen Gegenkandidaten. Der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende selbst kündigte nach seiner Wahl auf Facebook an, er werde sich »selbstverständlich« für die Interessen »unseres Ortsteils« einsetzen und »weiterhin konstruktiv und parteiübergreifend mit allen zusammenarbeiten«.

Die SPD-Vorsitzende im Wetteraukreis, Lisa Gnadl, schrieb zu dem Votum: »Dass ein NPD-Mann mit Stimmen der CDU, SPD und FDP einstimmig zum Ortsvorsteher gewählt wurde, macht mich völlig fassungslos.« Die NPD sei »eine verfassungsfeindliche, völkische und rechtsextreme Partei«. »Wir werden daher alle Konsequenzen prüfen müssen«, kündigte Gnadl an.

Die Wetterauer Grünen verurteilten die »Wahl eines Verfassungsfeindes«. Ihre Sprecherin Myriam Gellner sprach auf Twitter von einem »Blackout der Demokratie« und forderte, das »Versagen« müsse aufgearbeitet werden.

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Gabi Faulhaber, Fraktionsvorsitzende der Linken/Piraten im Wetterauer Kreistag, ist entsetzt: »Nur weil von den anderen Parteivertretern keiner den Job machen wollte, wählen sie einstimmig (!) einen Nazi?« Sie sieht mit diesem Wahlverhalten das Verständnis darüber gefährdet, was demokratische Politik ausmacht

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, nannte den Vorgang im Wetteraukreis auf Twitter »doppelt schlimm: erstens, dass Demokraten so jemanden wählen; zweitens, dass kein demokratischer Kandidat bereit stand, um die Aufgabe zu übernehmen«.

Die NPD wurde vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsfeindlich eingestuft. Zugleich lehnte das Gericht 2017 ein Verbot der Partei mit Verweis auf ihre geringe Bedeutung ab.

»Entsetzen und Empörung« über die Wahl seien »vollkommen gerechtfertigt«, sagte Kramp-Karrenbauer. Ziel sei nun, so schnell wie möglich die Abwahl von Jagsch zu erreichen. Auch müsse parteiintern darüber geredet werden, »wie so etwas passieren konnte«.

Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak äußerte sich in der »Bild« am Montag »schockiert« über den Vorgang in der Wetterau. Die Wahl des NPD-Mannes sei eine »Schande«, er erwarte, dass die Entscheidung »korrigiert wird«.

Klingbeil forderte am Samstag im Kurzbotschaftendienst Twitter, die Wahl des NPD-Vertreters müsse »sofort rückgängig gemacht werden«. Die SPD habe »eine ganz klare Haltung: Wir kooperieren nicht mit Nazis! Niemals! Das gilt im Bund, im Land, in den Kommunen.« SPD-Vize Ralf Stegner, der sich um den Vorsitz seiner Partei bewirbt, schrieb auf Twitter: »Man weiß gar nicht, ob einen die Dummheit oder die Dreistigkeit dieses Vorgangs mehr erschüttern soll.«

Der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Peter Tauber, forderte personelle Konsequenzen. »Wem der politische und moralische Kompass fehlt und als Demokrat eine solch verantwortungslose Wahlentscheidung trifft, ist in der CDU und auf einer CDU-Wahlliste untragbar«, twitterte er.

Die CDU- und die SPD-Führung in der Wetterau verurteilten die Wahlentscheidung ebenfalls. Die CDU-Kreisvorsitzende Lucia Puttrich distanzierte sich in einer gemeinsamen Erklärung mit Altenstadts CDU-Vorsitzendem Sven Müller-Winter »in aller Schärfe« von dem Votum für Jagsch. »Mit Entsetzen und absolutem Unverständnis haben wir einen Tag nach der Wahl von diesem Vorgang erfahren«, erklärten sie. Die betreffenden Ortsvertreter müssten »ihre falsche Entscheidung überdenken, einsehen und korrigieren«. AFP/nd

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