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  • Linkes Projekt

Sparpolitik, aber emanzipatorisch

Die Subventionierung von Umweltzerstörung, sozialer Ungerechtigkeit, Militarismus und religiöser Bevormundung muss enden. Plädoyer für ein linkes Projekt

  • Felix Wemheuer
  • Lesedauer: 6 Min.

Reiche und Unternehmen vermitteln gerne den Eindruck, dass sie die »Leistungsträger« der Gesellschaft seien und die Armen auf ihre Kosten leben würden. In Wirklichkeit kommen gerade die Wohlhabenden in den Genuss staatlicher Subventionen. Viele Dinge, die der Gesellschaft schaden und die Umwelt zerstören, gibt es in Deutschland nur, weil sie in einem großen Ausmaß staatlich gefördert werden.

Daher ist es Zeit für ein partei- und strömungsübergreifendes Projekt für emanzipatorische Sparpolitik. Es sollen staatliche Subventionen, Ausgaben und Steuervergünstigungen identifiziert werden, deren Streichung beziehungsweise Kürzung eine fortschrittliche Wirkung hätte. Emanzipatorische Sparpolitik kann weder soziale Bewegungen noch eine Transformation der Eigentumsverhältnisse ersetzen, aber sinnvoll begleiten. Ziel sollte es sein, den Spardiskurs umzudrehen und gegen Reiche und mächtige Lobbygruppen zu richten.

Für staatlich geförderte Umweltzerstörung, Ausbeutung, Tierquälerei und Krieg gibt es in der BRD viele Beispiele:

Die Autoindustrie könnte in Deutschland ohne direkte und indirekte staatliche Subventionen nicht diese wirtschaftlich und politisch dominante Rolle spielen. Nur der Staat kann die riesigen Summen aufbringen, die zum Aufbau und Erhalt des Autobahn- und Straßennetzwerkes nötig sind. Dazu kommen direkte Subventionen wie »Abwrackprämien«. Die Kombination aus Pendlerpauschale und Zuschüssen für Häuslebauer förderte über Jahrzehnte Suburbanisierung, Zersiedlung und damit indirekt auch hohes Verkehrsaufkommen. Die Folgen sind tägliche Staus zur Rushhour und hohe Luftverschmutzung. In der globalen Arbeitsteilung kommen Rohstoffe wie Öl, Gummi oder Erze für Batterien zum großen Teil aus dem Globalen Süden. Dort wird die Umwelt für den Abbau zerstört. In Golfstaaten wie Saudi-Arabien werden die ArbeiterInnen in der Erdölindustrie in unfreien Formen der Lohnarbeit gehalten.

Ohne die EU-Agrarsubventionen gäbe es die industrielle Landwirtschaft in diesem Ausmaß nicht. Die Subventionen kommen vor allem Großbetrieben mit Massentierhaltung zugute. Diese Art der Landwirtschaft führt zur systematischen Zerstörung von Böden und Vergiftung von Grundwasser sowie zu Tierquälerei. Die ganze Branche funktioniert in dieser Form nur mit billigen und äußerst prekär beschäftigten LohnarbeiterInnen aus Osteuropa und Afrika. Zudem tragen die Subventionen für Agrarexporte zur Zerstörung bäuerlicher Strukturen im Globalen Süden und damit der Ernährungssouveränität ärmerer Länder bei.

Der gesamte militärisch-industrielle Komplex lebt von staatlichen Aufträgen der eigenen Regierung sowie der verbündeten Staaten. Deutschland bringt als einer der führenden Waffenexporteure Tod und Vernichtung in die ganze Welt. Große Kosten entstehen auch durch Auslandseinsätze der Bundeswehr und deren Umbau zur globalen Interventionsarmee. Die Forderung der Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, den Verteidigungshaushalt bis 2024 auf 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erhöhen, würde fast zur Verdopplung der Militärausgaben der BRD führen.
Der Umbau dieser drei Branchen ist nicht nur aus ökologischen Gründen notwendig, sondern auch um die ungerechte postkoloniale Arbeitsteilung auf globaler Ebene zu überwinden.

Es soll nicht verboten werden, in einem SUV zu fahren, ehelich in einem Vorort im Eigenheim zu wohnen, seine Kinder auf eine Privatschule zu schicken oder jeden Tag Fleisch aus der Massentierhaltung zu essen. Aber warum soll dieser Lebensstil auch noch durch die SteuerzahlerIn hochgradig subventioniert werden?

Natürlich profitieren auch Menschen aus der ArbeiterInnenklasse von den Subventionierungen der Autoindustrie und der industriellen Landwirtschaft in Form der billigen Preise. Alles so teuer werden zu lassen, dass es sich nur noch die Reichen leisten können, ist die unsoziale grün-großbürgerliche Antwort auf die ökologische Krise. In Frankreich war die Erhöhung der Benzinsteuer 2018 der Auslöser für die Proteste der »Gelbwesten«, die sich gegen diese Form der Politik wandten. Eine Erhöhung der Kosten für den Individualverkehr kann bei einem linken Politikansatz nur mit dem massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs einhergehen. Politik, die zur Senkung der Mieten in den Städten führt, würde Teile der PendlerInnen, die sich das urbane Leben nicht mehr leisten konnten, zurückholen. Durch die Kürzung beziehungsweise Streichung der Subventionen für Rüstungs-, Auto- und Kohleindustrie würden natürlich viele Arbeitsplätze wegfallen, die noch mit relativ hohen Löhnen und gewerkschaftlicher Organisierung verbunden sind. Das müsste mit der Schaffung von neuen Beschäftigungsmöglichkeiten in gesellschaftlich und ökologisch sinnvollen Bereichen einhergehen. Statt einen »grünen« Kapitalismus zu fördern, könnten neue Wirtschaftszweige mit öffentlichem oder genossenschaftlichem Eigentum entstehen.

Der Rückzug von Wohlhabenden aus dem öffentlichen Bereich wird in Deutschland sogar noch staatlich gefördert. Sogenannte »Privatschulen« erhalten Milliarden an öffentlichen Geldern und fördern indirekt soziale und ethnische Segregation der SchülerInnen. Neoliberale haben schon lange erkannt, dass die gezielte Unterfinanzierung des öffentlichen Bildungs- und Gesundheitssystems dessen Qualität mindert und dadurch einen Markt für private AnbieterInnen schafft. Wenn einflussreiche und zahlungskräftige BürgerInnen sich dann aus den staatlichen Einrichtungen zurückziehen, wird der öffentliche Sektor weiter geschwächt.

Im Gesundheitssystem können sogenannte »Privatpatienten« öffentlich finanzierte Krankenhäuser nutzen, statt in private Einrichtungen zu gehen. Viele ÄrtzInnen wollen zwar durch »Privatpatienten« mehr verdienen und lassen sie nicht auf Termine warten. Gleichzeitig verzichten aber viele Praxen nicht auf die sicheren Einnahmen durch die öffentlichen »Kassenpatienten«. Die öffentliche Hand subventioniert so indirekt die »Privatpatienten« und direkt durch Zuschüsse für Privatversicherung von BeamtInnen. Statt wie die Neoliberalen den öffentlichen Bereich auszuhungern, um einen Markt für private AnbieterInnen zu schaffen, sollten Subventionen wie zum Beispiel für »Privatschulen« gestrichen und die Gelder in öffentliche Einrichtungen gesteckt werden.

In Deutschland lässt sich der Staat die Förderung von bestimmten Lebensweisen Milliarden kosten. Das Ehegatten-Splitting verschafft Paaren mit den höchsten Gehaltsunterschieden die größten Steuerersparnisse. Diese Maßnahme beruht auf einer antiquierten Vorstellung von geschlechtlicher Arbeitsteilung, in der vom Mann als Alleinverdiener in einer »Hausfrauen-Ehe« ausgegangen wurde. Statt Betreuungsangebote für Kinder und Eltern zu verbessern, wird damit immer noch die Institution der Ehe als solche subventioniert.

Auch die beiden christlichen Kirchen, denen nur noch etwas mehr als die Hälfte aller BürgerInnen angehört, könnten ohne jährliche Milliarden an staatlichen Subventionen nicht eine dominante Rolle in öffentlichem Gesundheitssystem und Altenpflege spielen. Obwohl der Staat den allergrößten Anteil der Ausgaben finanziert, dürfen die Kirchen durch eigenes Arbeitsrecht bei Einstellungen Nicht-ChristInnen diskriminieren. Zu den direkten und indirekten Subventionen kommen die Kosten für die Eintreibung der Kirchensteuern durch den Staat, die Ausbildung der kirchlichen TheologInnen an öffentlichen Universitäten, die Finanzierung von konfessionellem Religionsunterricht, Denkmalpflege, Steuerbefreiung für die Kirchen und vieles Weitere hinzu. Solange bei den christlichen Kirchen MitarbeiterInnen aufgrund von Religion oder »unchristlichem Lebensstil« diskriminiert werden, dürfen keine öffentlichen Gelder fließen. Das kirchliche Arbeitsrecht muss daher abgeschafft werden.

Darüber hinaus sollte linke Politik nicht alle Ausgaben in den Bereichen Soziales, Bildung oder Gesundheit als sinnvoll erachten. So werden zum Beispiel Milliarden für die sogenannte »Exzellenzinitiative« ausgegeben, die Hochschulen in einen neoliberalen Wettbewerb treten lässt und Unterschiede bei Ausstattung und Leistung vergrößern soll. Gleichzeitig ist die Grundfinanzierung der Hochschulen für Lehre und Forschung nicht gesichert. Im sozialen Bereich gibt zum Beispiel die Agentur für Arbeit viel Geld für die Überwachung und Gängelung von Arbeitslosen und EmpfängerInnen staatlicher Leistungen aus.

Als Resultat des Projekts könnten emanzipatorische Sparprogramme für öffentliche Haushalte auf allen staatlichen Ebenen aufgestellt werden. Dabei geht es nicht um Sparen als Selbstzweck, sondern das Ende der Subventionierung von Umweltzerstörung, sozialer Ungerechtigkeit, Militarismus und religiöser Bevormundung. Natürlich sollte in einem nächsten Schritt diskutiert werden, wie wir die eingesparten Steuergelder sinnvoller ausgeben und für radikalen sozialen und ökologischen Umbau der Gesellschaft einsetzen können.

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