Kategorie Eigensinn

Fred Frith

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.

Sieht ein missgünstiger Mensch dem Gitarristen Fred Frith beim Spielen zu, die Performance könnte ihm wie eine Ballung der Klischees erscheinen, die über improvisierte Musik kursieren: beliebig, artifiziell und von sich selbst berauscht.

Frith, der von 1968 bis 1979 bei der englischen Art-Rock-Jazz-Band Henry Cow spielte, bearbeitet sein Instrument mit allerlei Zeug, Perlen, Ketten, Steine, Bögen, was nicht alles. Aus der Gitarre heraus kratzt, plönkert, fiept und ruckelt es, und was da tönt, ist offenbar ausschließlich von spontanen Eingebungen strukturiert. Die »New York Times« hat zum Sortieren dieser Musik die griffige Schublade »dadaistische Improvisation« erfunden.

Mag stimmen - wenn man es beim ersten Hören belässt. Findet man die Ruhe, sich ihr aufmerksam auszusetzen, entwickelt sich mehr und anderes. Auf den zwei Stücken, die auf »Woodwork« zu hören sind - das gut 40-minütige »Still the Dancing« und die kurze Zugabe »Falls the Shadow« -, lässt Frith die wunderlichen und immer wieder überraschenden Sounds, die er aus seinem Instrument hervorholt, in eine Improvisation einfließen, die eben nicht sinnzerstörend wirkt, sondern eine eigene Idee des Verhältnisses einzelner Sounds und ihrer Einbettung in einen musikalischen Verlauf enthält.

Man muss diese Idee nicht entschlüsseln oder verstehen, um sie als Strukturprinzip zu erkennen: Die Verbindung Chaos und freischwebender Aufmerksamkeit drängt sich als Eindruck beim Hören unmittelbar auf.

Idiosynkratisch ist das hier nur in dem Sinne, dass in dem Strom der Improvisationsmusik, in dem Frith schwimmt (immer lose verbunden mit Jazz, Rock und Neuer Musik), die Kategorie »Eigensinn« zentral ist. Und Eigensinn bedeutet hier Freiheit als Ideal der Musikerinnen, der Musiker, der Musik, der Instrumente. Das heißt auch: Diese Art zu musizieren lässt sich von niemanden sonst so spielen. Man kann ihre Gesten und eventuelle Routinen zwar reproduzieren, dann aber werden sie tatsächlich zu Gimmicks und gerinnen zu Klischees.

»Woodwork« ist generell ein schöner Titel für die Solo-Improvisationen von Fred Frith. Das Holz arbeitet, das Material ist immer präsent. Frith spielt seine präparierte Gitarre als Saiten- und als Percussion-Instrument. »Still the Dancing« wird in der ersten Hälfte von einem stolpernden Rhythmus getragen, während sich zugleich, man weiß nicht genau wie, Drones und Flächiges über das Gedengel legt.

Am Ende schenkt Fred Frith seinem Publikum im Brüsseler Club Les Ateliers Claus, in dem beide Stücke aufgenommen wurden, drei Minuten Extremkrach. Wer all das gut laut hört, wird glücklich registrieren, dass das alles, bei aller Virtuosität und Originalität, ganz klar gedacht und glasklar ausgeführt ist.

Fred Frith: »Woodwork« (Klanggalerie)

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