Die Wirtschaft ist unzufrieden mit dem Senat

Kritische Bilanz von IHK und Handwerkskammer ein Jahr nach der Wahl des Abgeordnetenhauses

  • Karin Nölte
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Unternehmen gehören nicht zu den Lieblingen des Senats« – das war noch eine freundlich formulierte Kritik von Eric Schweitzer, Präsident der Industrie- und Handelskammer. IHK und Handwerkskammer zogen gestern schon mal eine Bilanz nach dem ersten Jahr der zweiten Auflage von Rot-Rot, damit sich in den kommenden vier Jahren etwas ändere. »Unbefriedigend«, »entsetzlich«, »widersinnig« waren dann folgende Steigerungen.

Mit der Berliner Wirtschaft gehe es eigentlich bergauf, in konjunktureller Lage sei sie ungebrochen optimistisch. Aber: Der Senat habe dazu wenig beigetragen. So weit zufrieden ist man mit Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE), aber für die Rahmenbedingungen seien andere zuständig, so die Senatoren für Bildung, Finanzen, Stadtentwicklung und Umwelt. Der Senat in Gänze gebe sich allzu selbstzufrieden und bediene punktuell seine Klientel.

Ehemalige Wahlprüfsteine plus Koalitionsvereinbarung verglich die Wirtschaft mit dem heutigen Ist-Zustand und vergab rote, gelbe und grüne Punkte. Rot (ganz schlecht) blinkt die Ampel 19-mal gelb (na, ja) 13-mal, grün (geht doch) 5-mal. Nichts zu meckern hat die Wirtschaft über das Ladenöffnungsgesetz, die Werbung für Berlin, den Tourismus und den Ausbildungspakt. Weiter Handlungsbedarf sieht man etwa beim elektronischen Wirtschaftsportal, beim einheitlichen Ansprechpartner für Investoren, bei der Industriepolitik, beim Flughafenbau in Schönefeld, bei der Schulreform und bei der Wissenschaft als Standortfaktor.

Allzu oft habe der Senat gar nicht, zu wenig oder holprig agiert, meinten die Unternehmensvertreter. Beispiel Tempelhof: Werde der Flughafen Ende Oktober 2008 geschlossen, drohten Kapazitätsengpässe, meinte Schweitzer. Mit der Schließung nicht bis 2011 zu warten, wenn der BBI Schönefeld fertiggestellt werde, sei eine »rein ideologische Entscheidung des Senats«. Schaden für die Wirtschaft sei auch durch den drohenden Fachkräftemangel, den Anschluss- und Benutzungszwang für Wasser oder neue Tempo-30-Zonen zu befürchten. Weitere Privatisierungen wie von Privaten gewünscht schließe der Koalitionsvertrag von vornherein aus. Das alte Lied der IHK, die Bezirke abzuschaffen und durch die einstufige Verwaltung Bürokratie abzubauen, war ebenso zu hören wie die Forderung nach der Länderfusion, wenn die Politik sie überhaupt noch wolle. Immer wieder stünden »parteipolitische Gründe« im Wege.

Bei der Haushalts- und Finanzpolitik stehen für IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder »alle Ampeln auf Rot«, obwohl der rot-rote Konsolidierungskurs »der richtige Weg« sei. Aber »auf wichtigen Baustellen passiert nichts«. Die Berliner Steuer- und Abgabepolitik sei »alles andere als wirtschaftsfreundlich«, die Investitionsquote unbefriedigend, ein neues Hochschulgesetz noch nicht einmal als Entwurf existent. Und die Gemeinschaftsschule sei gleich »die falsche Baustelle«.

Ganz schwarz malte Thomas Dohmen, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, den 1. Januar 2008. »Das Chaos droht« mit der Umweltzone. 43 Prozent der Betriebe mit 14 000 Fahrzeugen seien betroffen. In der Stadt seien noch 700 000 Plaketten an den Mann zu bringen. Erst 1500 Ausnahmeanträge seien gestellt worden, doch mit bis zu 70 000 solcher Anträge sei zu rechnen – zu genehmigen von den Bezirken, höhnte Dohmen, »das wird ein lustiges Spiel«.

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