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Streit um Denkmal für »Rotmoffen«

Bürgerinitiative einer niederländischen Kleinstadt ehrt einen Wehrmachtssoldaten

  • Tobias Müller, Goirle
  • Lesedauer: 3 Min.
Er rettete zwei Kindern das Leben und ließ dabei sein eigenes. Viele Niederländer halten Karl-Heinz Rosch für einen Helden. Doch dass ihm nun ein Denkmal gesetzt wurde, löst in dem Land Kontroversen aus. Denn Rosch war Soldat der deutschen Wehrmacht.

Der Stein des Anstoßes ist hüfthoch, aus Bronze und trägt einen Stahlhelm: das Standbild des deutschen Soldaten, das am Dienstag in der kleinen Gemeinde Goirle in der niederländischen Provinz Brabant enthüllt wurde. Die Gesichtszüge sind angespannt, das linke Bein in der Bewegung gebeugt. Unter jedem Arm hält der Soldat ein Kind – den vierjährigen Sohn und die dreijährige Tochter der Bauernfamilie, bei deren Hof seine Artillerieeinheit Stellung bezogen hatte. Auf dem Weg zur Kanone, mit der die aus Belgien heranrückenden britischen Truppen auf Abstand gehalten werden sollten, sah Karl-Heinz Rosch die beiden Kinder arglos auf dem Boden spielen. Kurz entschlossen riss er sie hoch und rannte zurück zum Wohnhaus, wo er sie der wartenden Mutter in die Arme drückte und kehrt machte. Sekunden darauf zerfetzte eine Granate den Wehrmachtssoldaten, drei Tage nach seinem 18. Geburtstag.

64 Jahre später bekommt Karl-Heinz Rosch von Bewohnern der Gemeinde Goirle ein Denkmal gesetzt. Als Anerkennung der menschlichen Tat eines feindlichen Soldaten, sagt Herman van Rouwendaal. Der 76-Jährige ist Sprecher einer Stiftung, die zu Jahresbeginn eine Spendensammlung für das Standbild organisierte. Die Stiftung tritt für ein nuanciertes Geschichtsbild jenseits vom Schwarz-Weiß-Denken ein: »Dass dieser Junge ein Wehrmachtssoldat war, ist natürlich pikant«, räumt van Rouwendaal ein. »Doch uns geht es nicht um Deutsche, sondern um Menschen. Und wir haben zahlreiche Spenden von Leuten bekommen, die im Krieg ähnliche Erfahrungen mit Deutschen machten. Karl-Heinz Rosch steht für all diese deutschen Soldaten. Es waren eben nicht alles ›Rotmoffen‹.«

»Rotmoffen« – Scheißdeutsche –, diese Vokabel prägte jahrzehntelang das niederländische Verhältnis zur ehemaligen Besatzungsmacht, das sich inzwischen abseits folkloristischer Fußballfeindschaft zusehends normalisiert. Ein Denkmal für einen deutschen Soldaten jedoch ruft auch im Jahre 2008 noch furchtbare Erinnerungen unter der Bevölkerung der Niederlande wach. Aus diesem Grund lehnte die Stadtverwaltung es ab, sich an der Spendenaktion zu beteiligen. Und einen öffentlichen Platz wollte sie für das Monument auch nicht zur Verfügung stellen. Notgedrungen wichen die Initiatoren auf einen privaten Ort aus, den von der Straße einsehbaren Garten eines Bürgers, der damals auf dem Nachbarhof gewohnt und die Rettungstat des Soldaten beobachtet hatte. Danach pflegte er zwei Jahre lang das Grab des Deutschen, bevor dessen sterbliche Überreste auf einen Soldatenfriedhof verlegt wurden.

Herman van Rouwendaal versteht die Bedenken. Auch der ehemalige Stadtrat der linksliberalen Partei D66 blickt auf leidvolle Kriegserfahrungen zurück. »Mein Vater wurde nach Deutschland abtransportiert, meinen Bruder haben sie zur Zwangsarbeit nach Berlin gebracht. Ich habe wirklich keinen Grund, der Wehrmacht dankbar zu sein, und ich sympathisiere absolut nicht mit den Deutschen. Auf der anderen Seite gab es auch Bürger von Goirle, die für 7,50 Gulden einen Juden verraten haben.«

Der Fall hat in den Niederlanden erhebliches Medieninteresse ausgelöst. Dass die Enthüllung des Denkmals im bescheidenen Rahmen stattfand, lag jedoch nicht allein daran, dass die Situation äußerst sensibel ist. Auch deutsche Neonazis, befürchtete van Rouwendaal, hätten sich in Goirle einfinden können. Und auf Applaus von dieser Seite hat er wirklich nicht gewartet.

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