Festnahmewelle in der Türkei rollt weiter

Prokurdische DTP sieht sich nach Wahlerfolgen scharfer Verfolgung ausgesetzt

  • Martin Dolzer
  • Lesedauer: 2 Min.
Die türkische Regierung setzt ihren harten Kurs gegenüber der prokurdischen Partei der Demokratischen Gesellschaft (DTP) fort und nimmt weiter Politiker der Partei fest.

In Diyarbakir und weiteren Städten der Türkei demonstrierten in der vergangenen Woche Zehntausende gegen die Verhaftung von mehr als 60 DTP-Politikern. Die Verhaftungswelle dauert jedoch an. Bis Sonntag nahm die türkische Polizei in Izmir, Istanbul, Bitlis, Tatvan, Batman und anderen Orten mehr als 170 weitere Aktivisten der DTP fest. Zuvor waren bereits drei Anwälte des verurteilten Kurdenführers Abdullah Öcalan sowie ein Redakteur des kurdischen Regionalsenders Gün TV inhaftiert worden.

Die Betroffenen konnten in den ersten 24 Stunden der Verhaftung keine Anwälte konsultieren. Bei einigen der Festgenommenen wurden danach Spuren von Misshandlungen erkannt. Anwälte beklagen zudem, dass die Ermittlungsakten geheim gehalten werden. Verteidigerin Reyhan Yalcindag kommentierte: »Während wir keine Informationen und Dokumente bekommen, sind etliche Meldungen über unsere Mandanten in den Medien erschienen. Das zeigt, dass diese Ermittlungen nicht juristisch, sondern politisch motiviert sind.«

Den Inhaftierten werden laut Medienberichten Verbindungen zur verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) vorgeworfen. In einem Fall geht es darum, dass der betroffene duch Auftritte in Europa die Vergabe von Krediten für den Bau des Ilisu-Staudamms verhindert haben soll. Ein 2006 verabschiedetes »Antiterrorgesetz« besagt, dass schon die Teilnahme an Veranstaltungen, die einer terroristischen Vereinigung zugeordnet werden, eine Unterstützung des Terrors bedeute und selbst international geächteten Vorgehensweisen von Polizei und Justiz rechtfertige.

Nach den für die DTP erfolgreichen Kommunalwahlen Ende März war die Hoffnung auf Entspannung im türkisch-kurdischen Konflikt in der Öffentlichkeit aufgekeimt. Zudem hatte die PKK einen einseitigen Waffenstillstand verkündet, um einer Pressemitteilung zufolge »Raum für einen möglichen Friedensdialog auf politischer Ebene zu geben«. Die türkische Armee reagierte darauf mit verstärkten Militäroperationen. Diyarbakirs Oberbürgermeister Osman Baydemir (DTP) erklärte zu den Repressionen in der vergangenen Woche: Festgenommen wurden nicht nur unsere Politiker, sondern gleichzeitig unsere Forderung nach Frieden. Festgenommen wurde das Morgen, die Zukunft unserer Kinder.

In Hamburg demonstrierten am Sonnabend rund 1400 Menschen gegen das Vorgehen der türkischen Behörden. Der Landesparteitag der Linken forderte die sofortige Freilassung der Inhaftierten. Von der Bundesregierung wurde verlangt, Waffenexporte in die Türkei zu beenden, politischen Druck gegen die türkische Folterpraxis auszuüben und das PKK-Verbot in der Bundesrepublik aufzuheben. Norman Paech, Abgeordneter der Linken im Bundestag, kommentiert die Ereignisse: »Die Bundesregierung beteuert immer wieder, wie wichtig ihr die Demokratisierung und eine friedliche Lösung der kurdischen Frage in der Türkei ist. Wenn sie dies ernst meint, muss sie sich zu der jetzigen Repression verhalten und die türkische Regierung auffordern, das Ergebnis der Wahlen anzuerkennen und mit den gewählten Vertreterinnen und Vertretern zusammenzuarbeiten.«

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