Zwischenstation Marienfelde

Insgesamt 125 irakische Flüchtlinge kommen nach Berlin – sie sollen schnell integriert werden

  • Anne Britt Arps
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch einen Kindergarten gibt es im Lager Marienfelde.
Auch einen Kindergarten gibt es im Lager Marienfelde.

Zwei Betten, ein Tisch, ein Schrank, ein paar Stühle – die beiden winzigen Zimmer im zentralen Notaufnahmelager Marienfelde sind spärlich eingerichtet, in denen Familie Alahwad zur Zeit untergebracht ist. Nach zwei Jahren in Syrien ist die fünfköpfige Familie nun seit einem Monat in Marienfelde, gemeinsam mit 43 anderen irakischen Flüchtlingen, die aus politischen oder religiösen Gründen aus ihrer Heimat fliehen mussten. Ihr Wunsch ist es, eine Wohnung in Spandau zu finden, wo die Schwester von Herrn Alahwad seit 15 Jahren lebt. Insgesamt 125 Flüchtlinge sollen es bis Ende Dezember werden, die Berlin im Rahmen einer EU-Initiative aufnehmen wird.

Sie sollen möglichst schnell integriert werden, erklärte Integrationssenatorin Heidi Knake-Werner (LINKE) gestern bei einem Besuch in der Aufnahmeeinrichtung. Nach den ersten Wochen müssten nun möglichst schnell Wohnungen für die Familien gefunden werden, so die Senatorin. »Eine Wohnung zu finden, ist für die Familien im Moment das wichtigste«, bestätigt auch Nassir-Al-Samani vom irakischen Kulturverein. »Viele Flüchtlinge fühlen sich in Marienfelde isoliert, sie brauchen eine Basis, von der aus sie alles weitere organisieren und die Kinder zur Schule schicken können«, erklärt Samani. Der irakische Kulturverein unterstützt die Flüchtlinge in den ersten Monaten, begleitet sie bei Ämtergängen oder hilft bei der Wohnungs- und Arbeitssuche. Einige der Flüchtlinge benötigen zudem besondere medizinische Versorgung oder psychologische Hilfe. Zwei Beraterstellen hat der Senat über den öffentlichen Beschäftigungssektor zu diesem Zweck geschaffen, erklärt der Integrationsbeauftragte des Senats, Günter Piening.

Die Wohnungssuche gestalte sich jedoch nicht immer einfach. Ist eine Wohnung gefunden, müsse sie vom Jobcenter genehmigt werden. »Das kann bis zu vier Wochen dauern«, erläutert Norbert Kussin, Leiter der Aufnahmeeinrichtung. »Dann ist die Wohnung oft schon an einen anderen Interessenten vergeben.«

Ziel ist es, den irakischen Flüchtlingen eine dauerhafte Perspektive in Deutschland zu ermöglichen. Anders als Asylbewerber bekommen sie sofort eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis, die auch eine Arbeitserlaubnis einschließt. Bei der Auswahl der Flüchtlinge habe daher neben dem Kriterium der besonderen Schutzbedürftigkeit auch die »Integrationsprognose« eine Rolle gespielt, erklärt Senatorin Knake-Werner. Bei der Verteilung der Flüchtlinge sei beispielsweise darauf geachtet worden, ob sie bereits Verwandte in Deutschland hätten. Die meisten haben außerdem eine abgeschlossene Berufsausbildung. »Wir haben hier Ärzte, Lehrer, aber auch Industriearbeiter«, erklärt Norbert Kussin.

Die Senatorin will sich nun auch für ein dauerhaftes Bleiberecht von den 143 langjährig in Berlin lebenden Irakern einsetzen, die lediglich über einen Duldungsstatus verfügen. Anders als die Neuankömmlinge sind sie ausreisepflichtig, ihre Abschiebung ist nur vorübergehend ausgesetzt.

Insgesamt 2500 irakische Flüchtlinge sollen bis zum Jahresende im gesamten Bundesgebiet aufgenommen werden, knapp fünf Prozent davon in Berlin. Damit hat sich die Bundesregierung nach langem politischen Hickhack erstmalig seit den vietnamesischen »Boat People« in den 70er Jahren zu einer dauerhaften Ansiedlung eines Flüchtlingskontingents durchgerungen. Angesichts von zwei Millionen irakischen Flüchtlingen in den Nachbarstaaten Syrien und Jordanien halten Flüchtlingsorganisationen die 2 500 in Deutschland bzw. 10 000 von der EU aufgenommenen Flüchtlinge allerdings für viel zu wenig. Sie fordern, dass sich Deutschland im Rahmen eines permanenten Resettlement-Programms verpflichtet, jährlich ein Kontingent von Flüchtlingen aufzunehmen und dauerhaft zu integrieren.

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