Der Dollar-Thron wackelt

  • Christa Luft
  • Lesedauer: 3 Min.
Kurz, Nick, Luft & Hickel: Der Dollar-Thron wackelt

Noch vor Ende des Zweiten Weltkrieges schrieben 44 Staaten im Abkommen von Bretton Woods den US-Dollar als Leitwährung fest. Er wurde in ein System fester Wechselkurse eingebunden, und die USA verpflichteten sich, auf ihn lautende Forderungen jederzeit in Gold einzutauschen. 1971 kündigte Präsident Nixon dieses Abkommen. Die USA befanden sich im Vietnamkrieg, druckten für dessen Finanzierung Dollarnoten, die Goldbestände aber wuchsen nicht. Fortan waren die Wechselkurse flexibel. Das blähte Devisenspekulation auf. Nur ein Bruchteil der Devisenumsätze dient der Abwicklung realer Handelsgeschäfte.

Trotz der kardinalen Veränderungen behielt der Dollar die Leitwährungsfunktion. Seine entfallene Goldbindung ermöglichte es den Vereinigten Staaten, sich im Ausland hemmungslos in der eigenen Währung zu verschulden. Sie häuften gigantische Leistungsbilanzdefizite auf, ohne wie andere Länder Sanktionen des Internationalen Währungsfonds (IWF) fürchten zu müssen. Die Doppelrolle des Dollar als nationales Geld und Leitwährung garantiert den USA bis heute einzigartigen Einfluss auf die globale Wirtschaft. Weltweit werden Erdöl und andere Rohstoffe in Dollar gehandelt. Wertet er ab, sehen sich die Exportländer gezwungen, die Preise zu erhöhen, was zu Absatzeinbußen und Beschäftigungsabbau führen kann. Auch entstehen Wertverluste für Staaten, die ihre Devisenreserven in Dollar angelegt haben. Steigt der Kurs, müssen verschuldete Länder mehr eigene Währung aufwenden, um den Schuldendienst zu leisten.

Die Doppelrolle des Greenback hat die Instabilität des Weltfinanzsystems mitverursacht. Joseph Stiglitz, US-Ökonom und Nobelpreisträger, bringt es auf den Punkt: »Es ist klar, dass eine Leitwährung nicht auf einer nationalen Währung basieren sollte, denn das führt dazu, dass die Disziplin im Finanzsystem verloren geht – mit desaströsen Folgen.« In diese Kerbe schlagen auch China, Brasilien, Russland und Indien. Diese vier großen Schwellenländer fordern ein stabiles und diversifiziertes, nicht allein auf den Dollar fixiertes Währungssystem. Das auch aus verständlichem Eigeninteresse, denn sie halten den Großteil ihrer Devisenreserven in der Leitwährung, um ihr eigenes Geld gegen Schwankungen abzusichern. Von ihren insgesamt 2,8 Billionen Dollarvorräten (auf China entfallen rund zwei Billionen) sind zwei Drittel in Papieren angelegt, mit denen die USA ihr Leistungsbilanzdefizit decken. Der Rest besteht aus Euro, Pfund und Yen.

Diskussionen um Alternativen konzentrieren sich auf zwei Ansätze: Rückkehr zur Politik fester Wechselkurse mindestens für Dollar, Euro, japanischen Yen und den chinesischen Renminbi mit engen Schwankungsbreiten oder Installierung einer neuen Leitwährung. Letztere könnte angelehnt sein an die »Sonderziehungsrechte« des IWF, eine reine Buchungseinheit, die auf dem Markt nicht frei handelbar ist. Deren Kurs ist an einen Währungskorb aus Dollar, Pfund, Euro und Yen gebunden und müsste mindestens um Renminbi erweitert werden.

Angesichts der gegenwärtigen Machtverteilung im IWF hat eine grundlegende Änderung des Weltwährungssystems ohne Einverständnis der USA aber kaum eine Chance. Noch stürzt der Dollar nicht vom Thron, aber dieser wackelt. Eine Reihe lateinamerikanischer Länder wickelt die gegenseitigen Handelsgeschäfte bereits in regionalen Währungen ab. China als Dollar-Hauptgläubiger will sich im Lateinamerikageschäft ebenfalls schrittweise vom Dollar lösen. Öl exportierende Länder drohen damit, sich von ihm abzukehren.

In der wöchentlichen ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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