Auch der Ruf stammt vom Designer

Ehemaliger Mitarbeiter spricht von Verlogenheit und Rassismus bei IKEA und dessen Gründer

  • André Anwar, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
Die ehemals rechte Hand von IKEA-Chef Ingmar Kamprad enthüllt in einem Buch die dunklen Seiten des Gründers und seiner Geschäftspraktiken. Erstmals in der 60-jährigen Unternehmensgeschichte spricht ein Insider offen über die rassistische Unternehmenskultur in dem bekannten schwedischen Möbelunternehmen.

Die geniale Idee, aktuelle Designmöbel billig in handlich verpackten Einzelteilen zu verkaufen, die der Käufer selbst montieren muss, machte den inzwischen 83-jährigen IKEA-Gründer Ingmar Kamprad zu einer weltweiten Unternehmerlegende. Zum Nationalheld Schwedens avancierte er, weil sein Image den gigantischen wirtschaftlichen Erfolg mit der typisch schwedischen Bescheidenheit und Bodenständigkeit verbindet.

Sympathisch und skrupellos

Der schrullige, aber sympathische Kauz Kamprad leidet ähnlich wie der schwedische König unter Lese- und Schreibschwäche und wirkt in Interviews charmant unbeholfen. Am liebsten nimmt er den Bus, um Benzin für seine alte Klapperkiste zu sparen. Er ist einer der reichsten Männer der Welt.

Unter dem griffigen Titel »Die Wahrheit über Ikea« behauptet die ehemalige rechte Hand Kamprads, Johan Stenebo, der sich innerhalb von 20 Jahren vom Lehrling zum persönlichen Assistenten Kamprads hochgearbeitet hatte, dass das Image seines Ex-Chefs systematisch erlogen sei. Die Mitarbeiter würden mit skandalösen Methoden überwacht, ein ethnisch diskriminierendes Prinzip sei bei der Besetzung höherer Positionen Richtlinie und Kamprad habe keine moralischen Skrupel bei der Auswahl der Zulieferer in Billiglohnländern. Arbeitskräfte und Umwelt würden ausgebeutet. Es sei gang und gebe, billiges Holz aus geschützten chinesischen und sibirischen Wäldern zu beziehen. Stenebo verließ das Unternehmen vor neun Monaten und ist der erste Insider in der 60-jährigen Geschichte des Möbelkonzerns, der auspackt. Er nennt IKEA »eine der verschlossensten Firmen der Welt«, in der alle höheren Mitarbeiter Kamprad »Treue bis in den Tod« geloben müssen. Kamprads zur Schau gestellter Geiz habe vor allem die Sparkultur im Konzern rechtfertigen sollen, und die angebliche Tatsache, dass bei IKEA alle fair behandelt werden, aber niemand viel verdient, auch nicht die Manager. »Die Firma lässt sich besser lenken, wenn Kamprad sich selbst als asketischen und dümmlichen Greis darstellt«, so Stenebo. Zudem drücke die »kleinbürgerliche Fassade« die Einkaufspreise bei Zulieferern.

Vergangenheit verziehen

Es sei erlogen, dass der wegen Steuervorteilen in der Schweiz wohnende Konzernchef sich am wohlsten in einem rustikal bäuerlichen Häuschen in seiner idyllischem südschwedischen Heimat Smaland fühle, dort selbst Einweggeschirr zweimal benutze und auf einem uralten IKEA-Sofa sitze. Auch sein übertriebener Alkoholgenuss oder die schlechten Englischkenntnisse entsprechen nicht der Wahrheit.

Der Mann, der durchaus mal gemütlich mit Lagerarbeitern ein Bier trinke, sei ein harter und diktatorischer Mensch, der abweichende Meinungen nicht schätze. Zwar sei das Kassenpersonal in seinen Verkaufshäusern gemischt, aber ethnische Minderheiten finde man ein paar Stufen höher nicht mehr im Konzern. Bekannt ist seit langem, dass Kamprad in seiner Jugend in Nazi-Kreisen aktiv war. Das wurde ihm in Schweden als Jugendsünde verziehen. Laut Stenebo ist der im Familienbesitz befindliche Weltkonzern dennoch von einer rassistischen Unternehmenskultur geprägt, er sei eine »Sekte«, unter deren Managern das ungeschriebene Gesetz gelte, dem Chef Loyalität bis in den Tod zu schwören. Kamprads Sohn Peter, der in fünf Jahren die Leitung übernehmen soll, bezeichnet Stenebo als inkompetenten Rassisten, der auf Ausländer und auf Frauen herabschaue.

Familie statt Kompetenz

Eine schwedische Zeitung enthüllte kürzlich, dass die höheren Manager, die offiziell keinen Bonus erhalten, schwarze Gelder aus einem Steuerparadies überwiesen bekommen. Stenebo gibt bei aller Kritik dennoch offen seine Bewunderung für Kamprads Lebenswerk zu und macht sich Sorgen um die Zukunft IKEAS, weil das Familienblut seine Nachfolge bestimme und nicht die Kompetenz. IKEA selbst teilte knapp mit, man kommentiere das Buch nicht, es sei die Meinung einer Privatperson.

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