Mercosur soll größer werden

Brasilien ratifiziert Beitritt Venezuelas / Nun fehlt noch »Ja« aus Paraguay

  • Lesedauer: 3 Min.
Von Gerhard Dilger, Porto Alegre

Nach dreieinhalb Jahren ist es der brasilianischen Regierung Lula gelungen, dem Senat die Ratifizierung des Beitritts Venezuelas zum »Mercosur« abzuringen. Jetzt muss nur noch Paraguays Parlament zustimmen.

Auf dem Weg zur Vollmitgliedschaft in der südamerikanischen Zollunion »Mercosur« (spanisches Kürzel für: »Gemeinsamer Markt des Südens«) hat Venezuela die vorletzte Hürde genommen. Über drei Jahre nach dem Beschluss der Regierungen Brasiliens, Argentiniens, Uruguays und Paraguays stimmte der brasilianische Senat am Dienstag mit 35 zu 27 Stimmen für die Aufnahme des ölreichen Nachbarlandes.

Wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse und manch polemischer Äußerung von Venezuelas Präsident Hugo Chávez war die Abstimmung immer wieder vertagt worden. Rechte Senatoren sind wegen seiner Person strikt gegen den Beitritt dieses Landes. Auch das Plädoyer von Antonio Ledezma, des oppositionellen Bürgermeisters von Caracas, konnte sie nicht umstimmen. Er hatte sich in Brasília gegen eine »Isolierung« Venezuelas ausgesprochen. »Der Oberst Hugo Chávez ist autoritär, ein Feind der Freiheit«, sagte Jarbas Vasconcelos von der Zentrumpartei PMDB jetzt. Sein Parteifreund Wellington Salgado spottete dagegen: »Wenn ich demnächst mein fünftes Kind füttere, sage ich: ›Iss, sonst hole ich Hugo Chávez!‹ Man hat ihn in ein Schreckgespenst verwandelt.«

Andere betonten die handelspolitischen und strategischen Vorteile für Brasilien. So stiegen die Exporte des größten lateinamerikanischen Landes nach Venezuela von 2003 bis 2008 um 758 Prozent. Mit 4,6 Milliarden US-Dollar ist der Handelsüberschuss Brasiliens gegenüber Venezuela zweieinhalb mal so groß wie gegenüber den USA. Besonders profitieren große Baufirmen und das Agrobusiness, die auf weitere Wettbewerbsvorteile hoffen.

Ob ein Vollmitglied Venezuela die weitgehende Selbstblockade des Handelsbündnisses vertiefen oder eher aufbrechen würde, ist indes umstritten. Auf dem jüngsten Gipfeltreffen in Montevideo wurde keine Einigung über den Abbau der zahlreichen Sonderzölle erzielt, mit denen vor allem Argentinien seine Industrie vor der agileren Konkurrenz aus Brasilien schützen möchte. Die Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen mit der EU liegen schon seit Jahren auf Eis. Die kleinen Partner Paraguay und Uruguay beklagen zudem »Asymmetrien«. Von kompensatorischen Fonds oder gar einer gemeinsamen Währung ist der »Mercosur« meilenweit entfernt. Chávez treibt solche Maßnahmen im linken Handelsbündnis ALBA voran, dem bereits neun Staaten aus Lateinamerika und der Karibik angehören.

Argentinien und Uruguay haben den im Juli 2006 beschlossenen »Mercosur«-Beitritt Venezuelas bereits ratifiziert. Es wäre die erste Erweiterung seit seiner Gründung 1991. Ein solches Bündnis, schwärmte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva kürzlich, habe das Zeug, »zu einem Pol der Integration und der nachhaltigen Entwicklung zu werden«.

Jetzt steht nur noch die Ratifizierung durch den paraguayischen Kongress aus. Dort steht Präsident Fernando Lugo einer noch größeren Chávez-kritischen Mehrheit gegenüber. Dennoch, so der linke Senator Sixto Pereira gegenüber ND, sei die Ratifizierung des Beitritts im kommenden Jahr »nicht unmöglich«. Er hofft, die Entscheidung des brasilianischen Senats werde auch pragmatische Konservative in Paraguay beeindrucken.

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