Firmen- statt Kundenschutz

Zwei Jahre Verbraucherinformationsgesetz: Kritik der Umwelthilfe

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Das vom damaligen Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) als »Durchbruch« gefeierte Verbraucherinformationsgesetz wird am 1. Mai zwei Jahre alt. Die Deutsche Umwelthilfe zog am Mittwoch in Berlin eine mehr als kritische Bilanz.

Besser sollte die Auskunft für Verbraucher werden, transparenter und vergleichbarer die Risiken verschiedener Produkte – mit diesem Anspruch setzte die Bundesregierung am 1. Mai 2008 das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) in Kraft. Verbraucherschützer kritisierten das Gesetz von Anfang an als halbherzig und mehr für die Industrie denn für die Konsumenten gemacht. Am Sonnabend ist der Zwischenbericht fällig, nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) wird er fast nur Erfolgsmeldungen enthalten.

Als »Schönfärberei« bezeichnet das Jürgen Resch, DUH-Geschäftsführer. Seine Bilanz nach zwei Jahren VIG fällt ganz anders aus: Das Gesetz sei die »Legalisierung der Geheimhaltungsansprüche der Industrie gegenüber Staat und Gesellschaft«, fasste er die Kritik zusammen. Die Erfahrungen der DUH zeigten, dass die Verbraucher angeforderte Auskünfte meist nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen erhielten. Zudem forderten die Behörden teils Gebühren von mehreren hundert Euro. Cornelia Ziehm, DUH-Rechtsanwältin, sagte, das sei schon für Verbände problematisch, der Einzelverbraucher könne es sich kaum leisten.

Das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz preist auf der eigens eingerichteten Internetseite www.vig- wirkt.de derweil weiter die Segnungen des Gesetzes: »Behörden informieren Sie noch besser als bisher über Gesundheitsrisiken bei Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen – und zwar auch unter Namensnennung betroffener Firmen«, heißt es dort. Letzteres erweist sich aber als ein Kernproblem: Ziehm sagte, bei Nachfragen, beispielsweise zu Ersatzstoffen für die Druckchemikalie ITX, habe die DUH zwar nach langem Kampf Zahlen genannt bekommen, jedoch ohne Hersteller- oder Produktnamen. Das könne den Verbrauchern die Kaufentscheidung nicht erleichtern. Für wirkliche Transparenz müssten deshalb Ross und Reiter genannt werden.

Genau daran aber scheinen weder Firmen noch Regierung Interesse zu haben. Laut VIG dürfen Unternehmen nur dann Einspruch gegen Auskunftsersuchen erheben, wenn es sich dabei um Betriebsgeheimnisse handelt. Die Chemikalienbelastung von Produkten gehöre aber nicht zu den schutzwürdigen Informationen, so Resch. Dass die Regierung dennoch fast alle Anfragen den betroffenen Unternehmen vorlege, führe zu ständigen Verzögerungen durch Klagen.

Die DUH forderte die Regierung auf, das VIG grundsätzlich zu überarbeiten, damit künftig Verbraucher- und nicht Industrieinteressen geschützt würden. Als positives Beispiel nannte Resch die dänische Regelung: Dort müssen seit 2001 Lebensmittelbetriebe die Ergebnisse staatlicher Kontrollen öffentlich machen. Das verwendete System nutzt auch der Berliner Bezirk Pankow seit 2008 zur Kennzeichnung von Gaststätten. Und es findet großen Anklang: Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage im Auftrag der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch fordern 93 Prozent der Befragten eine derartige Kennzeichnung.


ITX

Isopropylthioxanthon (ITX) ist eine Chemikalie, die in Druckfarben verwendet wird. Sie wurde auch für Farben auf der Außenseite von Getränkekartons benutzt. 2005 fand man in Italien ITX-Rückstände in Babynahrung, die beim Drucken auf die Innenseite der Verpackungen und damit in die Lebensmittel gelangt waren. Kurz darauf wurde in Deutschland ITX in Frucht- und Gemüsesäften nachgewiesen. Die Hersteller verzichten seither auf den von der Amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA als stark umweltschädlich eingestuften Stoff. Für die derzeit verwendeten Ersatzchemikalien gibt es aber laut DUH ebenfalls kaum Erkenntnisse zur Lebensmittelverträglichkeit. grg

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