Wie ein Gefälligkeitsgutachten entsteht

Bundesregierung lässt sich Laufzeitverlängerung für AKW ins Energiekonzept schreiben

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 2 Min.
Wie am Dienstag bei einem Pressegespräch von der Deutschen Umwelthilfe und Germanwatch bekannt wurde, hat die Bundesregierung für ihr Energiekonzept eine Szenarienrechnung in Auftrag gegeben, die ganz unverblümt den Ausbau der Erneuerbaren von verlängerten Laufzeiten für Atomkraftwerke abhängig macht.

Was ist der Unterschied zwischen der Bundesregierung und dem Deutschen Atomforum? Die eine ändert hin und wieder infolge von Wahlen ihre Politik, das andere bleibt eigentlich gleich. Bei der aktuellen Regierung allerdings verwischt der Unterschied mal wieder. Nachdem die Koalition ihren internen Streit über Laufzeitverlängerung für AKW und den Ausbau erneuerbarer Energiequellen beigelegt hatte, indem sie sich auf die Ausarbeitung eines Energiekonzepts einigte, entpuppt sich dieses nun immer deutlicher als ein reines Förderprogramm für die vier großen Energiemultis und ihre Atomkraftwerke. Das verdeutlichen zwei Blätter, mit denen das Bundeswirtschaftsministerium den mit Umwelt befassten Unionsabgeordneten im Bundestag eine Studie erklärt, die es bei Prognos, dem Energiewirtschaftlichen Institut der Uni Köln, und der Gesellschaft für Wirtschaftsstrukturforschung in Auftrag gegeben hat. Laut der Erläuterung sollen diese schon Ende Juli die weitere Entwicklung des Energiemixes innerhalb von vier Szenarien herausfinden, die allesamt von einer längeren AKW-Laufzeit ausgehen. Verglichen werden dabei Verlängerungen von 4, 12, 20 oder 28 Jahren mit einer Kombination von Atomausstieg und einer sonst praktisch unveränderten Energiepolitik.

Für DUH-Geschäftsführer Rainer Baake ist mit diesen Randbedingungen und der Auswahl der bekannt konservativen Gutachterinstitute das Ergebnis der Studie bereits vorgegeben: Es soll herauskommen, dass die volkswirtschaftlichen und klimapolitischen Vorteile umso größer werden, je länger die AKW laufen. Es ist sicher kein Zufall, dass die längste Laufzeit in den Szenarien identisch ist mit der Forderung des Atomforums vom Dienstag, die AKW 28 Jahre länger laufen zu lassen.

Dass die Atomenergie, wie von der Bundesregierung behauptet, eine Brückentechnologie beim Umstieg auf Erneuerbare sei, wird von der DUH ebenso bestritten, wie von den auf der Pressekonferenz anwesenden Ökostromunternehmen und Anlagenherstellern. Wie Ruth Brand-Schock vom Windkraftunternehmen Enercon kritisiert, sei es bereits jetzt ein Hauptproblem des Ausbaus der Erneuerbaren, dass die Stromnetze nicht hinterherkommen. Dazu komme, dass neue Grundlastkraftwerke auf Kohlebasis und länger laufende AKW nicht nur Netzkapazität verstopfen, sondern auch die für stabile Stromversorgung mit den schwankenden Erneuerbaren notwendigen Speicherkapazitäten blockieren.

Pikant am Rande: Selbst den Abgeordneten der Regierungskoalition traut man offenbar nicht allzu sehr. Denn in der Tabelle mit den verschiedenen Energieszenarien erscheint unter »Erneuerbare Energien« der nebulöse Terminus »endogen bestimmt«. Das kann im Grunde nur heißen, dass sich der Ausbaugrad der Erneuerbaren oder der Einsatz von Effizienztechnologien wie Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) als Resultate aus den unterschiedlichen Reaktorlaufzeiten ergeben sollen. Dabei ist der Vergleich mit dem »Weiter- so«-Szenarium doppelt falsch. Denn mit dem Förderstopp für kleine KWK-Anlagen und der abgesenkten Solarförderung hat der Rollback längst begonnen.

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