Andersartigkeit als Bereicherung

Auf der zweiten Islamkonferenz diskutierten 32 Teilnehmer drängende Fragen der Integration

  • Martin Lejeune
  • Lesedauer: 3 Min.
Von wem bekommt in Deutschland ein muslimischer Religionslehrer die Erlaubnis zu unterrichten? Von einer der vielen islamischen Organisationen oder von einer staatlichen Institution? Diesen und weiteren Fragen gingen am Montag die 32 Teilnehmer der zweiten Deutschen Islamkonferenz (DIK) in ihrer konstituierenden Sitzung nach, zu der Innenminister Thomas de Maizière (CDU) nach Berlin eingeladen hatte.

Die DIK besteht aus jeweils sechs Vertretern des Bundes und der Länder, vier Oberbürgermeistern, sechs Vertretern muslimischer Verbände und zehn »muslimischen Einzelpersonen«. Obwohl es im Vorfeld der Konferenz zu teilweise heftigen Streitereien zwischen ein- und ausgeladenen Konferenzteilnehmern und der Bundesregierung gekommen war, lobte de Maizière nach der vierstündigen Sitzung im Palais am Festungsgraben die »umfangreiche, niveauvolle und faire Diskussion«. Die erste Konferenz initiierte 2006 Wolfgang Schäuble (CDU), der als erster deutscher Innenminister öffentlich bekannte, dass der Islam ein Teil von Deutschland sei. De Maizière schließt sich der Einschätzung seines Amtsvorgängers ausdrücklich an, doch fügt er kritisch hinzu: »Die religiöse Vielfalt stellt eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft dar. Die DIK soll deshalb in den nächsten Jahren die Umsetzung von bisher ungelösten Problemen wie dem Islamischen Religionsunterricht erreichen.«

Während der ein bis zwei Sitzungen der DIK pro Jahr sollen künftig auch explizit fremdenfeindliche Verhaltensmuster thematisiert werden, das Verhältnis Xenophobie und Islamophobie diskutiert und Lösungen angeboten werden. Aus der Andersartigkeit dürfe kein Problem entstehen, so de Maizière, vielmehr müsse sie als Bereicherung der gesellschaftlichen Vielfalt empfunden werden. Dazu soll der Dialog der DIK beitragen und die strukturelle Integration, also die Schaffung eines islamischen religionsrechtlichen Fundaments für den Schulunterricht und muslimische Feiertage sowie die soziale Integration vorantreiben. Auch wolle die DIK eine umfangreiche Internetseite auf Deutsch, Türkisch, Arabisch und Englisch anbieten, und Informationsbroschüren sowie ein Beratungsangebot bereit stellen. Ebenfalls werde die DIK einen Preis für gelungene muslimische Integrationsprojekte ausloben. Die Jury werde sich aus Vertretern der früheren Plenumsrunden der DIK zusammensetzen.

Am Islam kritisierte De Maizière die »mangelnde öffentliche Beteiligung« von Frauen, dabei sind auch bei seiner Konferenz nur fünf der 32 Teilnehmer weiblich. Auf dem Podium der gut besuchten Pressekonferenz nach der Sitzung saß nur eine Frau unter den sechs Sprechern der DIK. In einem halben Jahr sollen die Ergebnisse einer von der DIK in Auftrag gegebenen Studie zu den Geschlechterrollen im Islam vorliegen. »Machotum hat nichts mit einer bestimmten Religion zu tun und darf nicht auf den Islam zurückgeführt werden«, differenziert Armin Laschet (CDU), Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen.

Zum ersten Mal sitzen bei dieser DIK auch bosnische und marokkanische Muslime mit am Tisch. Die marokkanische Theologin Hamideh Mohagheghi, die seit 33 Jahren in Deutschland lebt und deren »Herz für zwei Kulturen, für Deutschland und mein Herkunftsland« schlage, sieht den Ansatz der DIK, den Islam wie die Kirchen in der BRD zu institutionalisieren, kritisch: »Muslime in Deutschland gehören verschiedensten Rechtsschulen an, die sich schwierig alle nach deutschem Vorbild institutionalisieren lassen.« Die Organisierung deutscher Prägung sei »völlig atypisch« für den Islam.

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