Hoffnungsvoll ins Blaue

EM 2010: Die Leichtathleten kehren zurück nach Barcelona – 18 Jahre nach Olympia

Der erste Eindruck von Barcelona dürfte den 73 deutschen Leichtathleten und -athletinnen gefallen. Eine sanfte Brise weht vom Mittelmeer hinauf zum Olympiastadion. Es ist längst nicht so heiß wie in Deutschland vor der Abreise. Und dann erst das Stadion: In vielversprechendem Blau leuchtet die Laufbahn auf dem Montjuic-Berg – so blau wie jener glücksbringende Tartanbelag im Berliner Olympiastadion, wo die Mannschaft des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) bei den Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr neun Medaillen gewinnen konnte (Gold 2/Silber 3/Bronze 4). Wen wunderts daher, dass der DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen bei den 20. Europameisterschaften, die in Barcelona von heute bis Sonntag ausgetragen werden, eine zweistellige Medaillenzahl anstrebt?

In der Nationenwertung, in der die Plätze eins bis acht berücksichtigt werden, möchte der DLV laut Kurschilgen in einer Liga mit den russischen Leichtathleten spielen und die Teams aus Großbritannien und Frankreich möglichst hinter sich lassen: Weil der Sportdirektor den guten Teamgeist auch bei Individualsportlern wie Leichtathleten für leistungssteigernd hält, hatte er seine Sportler in den letzten Tagen im Bundesleistungszentrum Kienbaum in Brandenburg versammelt. Die Diskus-Weltjahresbeste Nadine Müller (Halle) begrüßt wie alle Werferkollegen die Maßnahme: »Das bringt noch ein Extra an Motivation.«

Allerdings gelten die Titelkämpfe in Kataloniens Hauptstadt den meisten nur als Zwischenstation: Als Gradmesser vor den Weltmeisterschaften in Südkorea 2011 und natürlich vor den Olympischen Spielen in London 2012. Ohne die in vielen Disziplinen übermächtige Konkurrenz aus Jamaika, USA oder Afrika sind die Medaillenchancen für etliche der insgesamt 1370 Starter aus 50 Nationen beträchtlich größer als bei internationalen Meetings, Weltmeisterschaften oder gar Olympia. Und gute Medaillenaussichten erhöhen die TV-Quoten daheim.

Daraus entstehen Begehrlichkeiten: So hat der europäische Leichtathletikverband EAA entschieden, die EM künftig im Zweijahresrhythmus auszutragen, 2012 in Helsinki, 2014 in Zürich. Eine Europameisterscahft in einem Olympiajahr wie 2012 erscheint allerdings nicht geschaffen, die Marke »European Championships« zu stärken.

Auf der anderen Seite hat es der Weltverband IAAF bisher nicht geschafft, die europäische Rundfunkunion EBU zu überzeugen, 60 Millionen Euro für zwei WM und zwei Hallen-WM hinzublättern. Womöglich wird es 2011 keine Live-Bilder von den WM geben – für die Athleten und Verbände wäre das ein Desaster.

Vorerst wollen die Leichtathleten die Bühne in Barcelona für sich nutzen: 3000 Journalisten sind akkreditiert, die meisten von ihnen aus Deutschland. 31 Millionen Euro hat die spanische Gastgeberstadt in die Renovierung des Stadions Lluis Company investiert, in dem 1992 unvergessene Olympische Spiele stattfanden, wo Michael Rogers als erster Dreispringer über 18 Meter sprang (18,17 Meter bei unzulässigem Wind) und die erste wiedervereinigte deutsche Olympiamannschaft insgesamt 33 Goldmedaillen sammelte.

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