Nicht übersehen: »Mehr als« zehn Prozent

Wohnfläche /Mieterhöhung

  • Lesedauer: 3 Min.
Der Begriff »mehr als zehn Prozent« spielt in der Rechtsprechung eine große Rolle, wenn es um die Wohnfläche und darauf basierender Mieterhöhung bzw. Betriebskostenzahlung geht. Mieter sollten dies nicht übersehen.

Wer einen Mietvertrag abgeschlossen hat, in dem die angegebene Wohnfläche die tatsächliche um »mehr als« zehn Prozent (also ab elf Prozent) übersteigt, der kann nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes davon ausgehen, dass seine Wohnung wegen der ab elf Prozent zu viel angerechneten Fläche mangelhaft ist.

Die Folge davon: Der Mieter kann die auf der falschen Größenangabe basierende zu viel gezahlte Miete zurückfordern, die Miete mindern oder unter Umständen auch fristlos kündigen, wenn er dies festgestellt hat und sein Minderungsanspruch nicht verwirkt ist (Bundesgerichtshof vom 29. April 2009, Az. VII ZR 142/08 und vom 24. März 2004, Az. 295/03).

Es macht keinen Unterschied, ob die Wohnfläche im Mietvertrag exakt angegeben ist oder eine Circa-Fläche genannt wird. Ist die Wohnung mehr als zehn Prozent kleiner, gilt die tatsächliche Fläche, heißt es in einem weiteren BGH-Urteil vom 10. März 2010, Az. VIII ZR 144/09. Die »Mehr-als-zehn-

Prozent«-Abweichung von der tatsächlichen Wohnfläche hat für Mieter aber auch eine Kehrseite: Was unter dieser Zehn-Prozent-Grenze liegt, muss hingenommen werden. Dies spielte in einem Hamburger Streitfall, der vor den BGH kam, eine Rolle.

Ein Vermieter machte die an sich zulässige Mieterhöhung »um nicht mehr als 20 Prozent innerhalb von drei Jahren« geltend (§ 558 Abs.3). Er legte seiner Forderung eine Wohnfläche von 55,75 Quadratmetern zugrunde. Tatsächlich ist die Wohnung aber nur 51,03 Quadratmeter groß (die Abweichung lag hier also unterhalb der Zehn-Prozent-Grenze bei neun Prozent).

Dagegen wehrte sich der Mieter vergebens. Nach Ansicht des BGH spielen Abweichungen bis zehn Prozent keine Rolle. Sie liegen innerhalb der Toleranzgrenze, die von Mietern hinzunehmen ist (BGH vom 8. Juli 2009, Az. VIII ZR 205/08).

In diesem Zusammenhang hat der BGH entschieden, dass bei Mieterhöhungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete, nicht unbedingt auf die tatsächliche Wohnungsgröße abzustellen sei. Vermieter können auf die im Vertrag angegebene Wohnfläche zurückgreifen, so lange die Flächenabweichung nicht mehr als zehn Prozent beträgt.

Dazu äußerte sich der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten: Der BGH belohne damit Vermieter, die bei der Festlegung der Wohnungsgröße im Mietvertrag großzügig zu ihren Gunsten rechnen, mit barem Geld.

Es sei absurd, dass Vermietern einerseits großzügig zugestanden werde, die Wohnung um bis zu zehn Prozent größer zu rechnen, als sie ist, auf der anderen Seite aber würden die ortsüblichen Quadratmeterpreise über die Mietspiegel oder Gutachten bis hinter die zweite Kommastelle errechnet. Hamburger Mieter müssten somit für nicht existierende Wohnflächen ab sofort im Schnitt 36,63 Euro pro Monat oder 439,56 Euro pro Jahr zahlen.

Das ist nicht nur in Hamburg so. Eine Untersuchung von Dekra-Gutachtern hatte ergeben, dass ein Großteil der Wohnungen in Deutschland kleiner ist, als im Mietvertrag angegeben. Bei etwa 80 Prozent der untersuchten Immobilien wurden Flächenabweichungen von bis zu zehn Prozent festgestellt.

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