Künftig auf Augenhöhe?

Rot-Grün in Hamburg ist wahrscheinlich, aber nicht spannungsfrei

  • Folke Havekost
  • Lesedauer: 2 Min.
Nach den Umfragen ist Rot-Grün die bei weitem wahrscheinlichste Regierungskonstellation an Alster und Elbe. Ein Bündnis mit Reibeflächen: Rot-Grün war in der Hansestadt rechnerisch schon oft möglich, doch nur von 1997 bis 2001 kam es zu einer solchen Koalition unter SPD-Bürgermeister Ortwin Runde.

Schon im Sommer 1982 hätte sich Deutschlands erste rot-grüne Koalition auf Landesebene bilden können. Damals trat die Grün-Alternative Liste (GAL) jedoch nur in Verhandlungen ein, um die SPD mit Forderungen vorzuführen. Ein Verhalten, das bei den erfolgverwöhnten Sozialdemokraten gar nicht gut ankam. 1986 führte die SPD lieber Neuwahlen als Rot-Grün herbei, 1987 zog sie die FDP als Partner vor, 1993 diente die kurzlebige STATT-Partei zur Mehrheitsbeschaffung. »Das Scheitern von 1982 hat Nachwirkungen gehabt, wir haben deshalb 1997 eine sehr detaillierte Koalitionsvereinbarung geschlossen, ohne wesentliche Punkte auszuklammern«, sagt Ortwin Runde, der auch schon 1982 am Verhandlungstisch saß.

Erst als nur noch SPD, CDU und GAL in der Bürgerschaft vertreten waren und der SPD-Linke Runde den Machtkampf um die Nachfolge von Bürgermeister Henning Voscherau gewonnen hatte, kam es zur rot-grünen Senatsbildung. »Wir haben sehr intensiv verhandelt«, erinnert sich Runde, »danach hat es vier Jahre auch bei richtig spannenden Themen gut funktioniert«. Seine Empfehlung an den möglichen Nachfolger Scholz: »Die zentralen Fragen müssen geklärt sein.«

Nach nur einer Legislaturperiode beendeten die Wähler 2001 allerdings die rot-grüne Koalition. Angesichts des medialen Aufstiegs des rechtspopulistischen »Richter Gnadenlos« Ronald Schill geriet der Senat derart in die Defensive, dass der damalige Innensenator und heutige SPD-Bürgermeisterkandidat Olaf Scholz mit Law-and-Order-Parolen um sich warf. Während die SPD damit sogar leicht zulegen konnte, verloren die Grünen schließlich über 36 Prozent ihrer Stimmen – zuviel, um eine Mehrheit von CDU, FDP und Schill zu verhindern.

Das unerwartet schnelle Ende eines nicht immer einfachen Bündnisses: Die Senatsbildung mit der CDU 2008 wurde von vielen Grünen auch mit dem Eindruck begründet, von der SPD nicht richtig ernst genommen worden zu sein. »Insgesamt ging es bei Rot-Grün ruppiger zu, weil nicht die gleiche Augenhöhe da war«, bilanziert die damalige Zweite Bürgermeisterin Krista Sager (GAL): »Damals gab es in der SPD die Tendenz, die Grünen wie weggelaufene Kinder zu behandeln.«

Nach neuneinhalb Jahren auf den Oppositionsbänken strotzt die lange Zeit im Dämmerschlaf verharrende SPD nun angesichts hoher Umfragewerte vor Selbstbewusstsein. »Die absolute Mehrheit ist in einer Stadt wie Hamburg sozialstrukturell nicht einfach zu erreichen«, sagt Runde, »wenn man einen Partner braucht, ist Rot-Grün die sinnvollste Möglichkeit.« Sollte es zu rot-grünen Koalitionsverhandlungen kommen, dürfte sich allerdings manch grüner Unterhändler wehmütig an 2008 erinnern, als die GAL in weitaus besserer Position mit der CDU zusammentraf. Dort, so Sager, sei der Umgang anfangs sorgsamer gewesen, weil klar war, dass die Parteien »von ihrer Denke und ihren Milieus her sehr unterschiedlich sind«.

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