Der Zweifel nagt weiter

In die Kritik an Minister Guttenberg mischen sich erste Rücktrittsforderungen

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Langsam wendet sich das Blatt. Nicht mehr ob, sondern wie lange sich Bundesverteidigungsminister Guttenberg noch in seinem Amt halten mag, bestimmt nun die Debatten.

Bis jetzt glaubt der Verteidigungsminister, auch nach erwiesenen Plagiatsvorwürfen auf den Sympathiebonus der Bevölkerung bauen zu können. Er habe den Überblick verloren, als er seine Doktorarbeit schrieb, räumte er ein – welcher Zeitgenossen hätte da kein Verständnis? Einen Vorsatz, also Betrugsabsichten bestreitet zu Guttenberg hingegen. Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg ist ein Mann mit langem Namen, aber von kurzen Entschlüssen. Seinen Titel gab er so kurzentschlossen zurück, wie er nach Amtsantritt Ende 2009 Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert entließ, als ihm seine ersten Äußerungen über einen folgenschweren Zwischenfall am Kundus-Fluss in Afghanistan mit zahllosen Toten auf die Füße zu fallen drohten.

In seiner Absicht, alle Vorwürfe mitsamt der Doktorarbeit zu den Akten zu legen, sieht Guttenberg sich von seiner Parteivorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel gedeckt, die bekundete, ihn ja nicht als Wissenschaftlichen Assistenten eingestellt zu haben. Was den Fraktionsvize der LINKEN im Bundestag Dietmar Bartsch zur Bemerkung veranlasste, dann könne Guttenberg künftig auch alkoholisiert Auto fahren, denn als Fahrer habe ihn Merkel ja auch nicht eingestellt. Vor allem bei Zeitgenossen, die die Mühsal wissenschaftlicher Arbeit kennen, ruft der Vorgang weniger Belustigung als Empörung hervor. In einem offenen Brief, dem inzwischen 20 000 Personen mit ihrer Unterschrift per Internet Gewicht verliehen haben, heißt es: »Durch die Behandlung der Causa Guttenberg als Kavaliersdelikt leiden der Wissenschaftsstandort Deutschland und die Glaubwürdigkeit Deutschlands als Land der Ideen.« Der Initiator, Politologe Tobias Bunde von der Universität Konstanz, erklärte im dort erscheinenden »Südkurier«: »Wenn Guttenberg zum Beispiel wird, können wir hier dichtmachen.«

Nicht nur Bunde nimmt das Wort »Entlassung« im Fall von Guttenberg ohne Zögern in den Mund. Inzwischen hat auch ein FDP-Politiker, nämlich der forschungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Martin Neumann, eine Art Rücktrittsempfehlung gegeben. »Eine, maximal zwei Wochen« solle man Guttenberg noch geben, um die Plagiats- und Täuschungsvorwürfe aus der Welt zu schaffen. »Wenn er die Umstände seiner Promotion weiter so im Unklaren lässt, halte ich ihn als Minister und obersten Dienstherren von zwei Bundeswehruniversitäten nicht mehr für tragbar«, so Neumann gegenüber der »Financial Times Deutschland«.

Dass jemand aus den Reihen des Koalitionspartners solche Ultimaten stellt, ist problematisch. Doch zuvor soll bereits Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) ähnlich argumentiert haben. Gegenüber SPD-Parlamentariern sprach er angeblich von einem »Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie«. CSU-Chef Horst Seehofer nannte Lammerts Bemerkungen am Montag »unangemessen«, wie dpa meldete. Die Partei stehe »geschlossen zu ihrem Minister«. Ähnlich überzeugend klang die Kanzlerin, als sie nach Aberkennung des Doktorgrades durch die Uni Bayreuth davon sprach, diese liege »auf der Linie dessen, was der Verteidigungsminister vorgegeben hat«.

Dies wirkt umso bizarrer, je mehr vergleichbare Plagiatsfälle bekannt werden. Ein anderer Unionspolitiker, Vorsteher des niedersächsischen Landesverbandes in Lippe, musste wegen des gleichen Verstoßes gegen das Urheberrecht 9000 Euro Strafe und eine Geldbuße von 10 000 Euro zahlen. Der Landesverband enthob ihn seines Amtes. Über einen anderen Fall berichtete die »Süddeutsche Zeitung«. Ein Student wurde degradiert, nachdem sich seine Hausarbeit als Plagiat erwies. Er studierte an einer besonderen Einrichtung – der Bundeswehruniversität München. Dienstherr: der Verteidigungsminister.

Die Selbstkritik hat viel für sich

Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich:
So hab ich erstens den Gewinn,
Daß ich so hübsch bescheiden bin;
Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp ich drittens diesen Bissen
Vorweg den andern Kritiküssen;
Und viertens hoff ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es denn zuletzt heraus,
Daß ich ein ganz famoses Haus.

Wilhelm Busch (1832-1908)

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