Erster »Sejmik« könnte ab 2013 tagen

Sorbische Initiative wirbt für eigenes Parlament der Minderheit / Domowina reagiert abwartend

  • Hendrik Lasch, Panschwitz
  • Lesedauer: 3 Min.
Um ihre Kultur zu retten, sollen die Sorben ein eigenes Parlament bekommen. Dafür wirbt eine Initiative. Vor der ersten Wahl gilt es allerdings, juristische Probleme und verbreitete Skepsis aus dem Weg zu räumen.

Unter den Sorben wachsen die Bestrebungen, eine eigene Volksvertretung einzurichten. So sollten die Selbstbestimmung und Selbstverwaltung gestärkt werden, sagt Martin Walde. Der Sprachwissenschaftler ist einer der Sprecher einer im April gegründeten Initiativgruppe. Nötig sei der Schritt, um das Verschwinden der sorbischen Sprache und Kultur zu bremsen, »das schneller vorangeht als je zuvor«, wie Walde konstatiert.

Eine Konkurrenz zu den Landtagen von Sachsen und Brandenburg ist nicht geplant: Es gehe nicht um ein Parlament mit Gesetzgebungskompetenz, heißt es. In einem Aufruf der Initiative wird aber darauf hingewiesen, dass die Sorben in den Verfassungen beider Bundesländer »ausdrücklich als Volk definiert werden«. Dessen ungeachtet besäßen sie bisher keine demokratisch legitimierte Volksvertretung. Damit würden die Verfassungen »nicht in vollem Umfang verwirklicht«. Laut der Initiative sollen die Sorben künftig über Themen wie den Betrieb von Kitas und Schulen, Rundfunk oder die Förderung wissenschaftlicher und kultureller Einrichtungen selbst entscheiden.

Ein eigenes Sorbenparlament, das »Sejmik« heißen könnte, sei notwendig, weil sich »die jetzigen Strukturen nicht mehr eignen, um unser Leben als Minderheit zu gestalten und junge Menschen zu begeistern«, sagt Michael Apel, der ebenfalls Sprecher der Initiative und Choreograf in Cottbus ist. Bisher gilt die Domowina, die 2012 ihr 100-jähriges Jubiläum feiert, als Interessenvertretung der Sorben. Sie ist der Dachverband der sorbischen Vereine und entsendet unter anderem sorbische Vertreter in die Gremien der Stiftung für das sorbische Volk, die wiederum für die Verteilung staatlicher Zuwendungen zuständig ist. Apel freilich sagt, die Sorben könnten ihre Forderungen gegenüber der Mehrheit nur glaubwürdig geltend machen, wenn diese »demokratisch legitimiert und transparent« zustande kämen. Angesichts verbreiteter Befürchtungen betont er aber, es gehe nicht darum, »die Domowina kaputt zu machen«. Sie könnte eine Fraktion im »Sejmik« stellen.

Der Domowina-Vorsitzende David Statnik äußert sich zu den Plänen zurückhaltend. Zwar seien alle Bestrebungen zu begrüßen, die sorbischen Rechte zu stärken. Er verweist auch auf Initiativen der Sorbenstiftung, die in einer Arbeitsgruppe prüft, ob eine Körperschaft öffentlichen Rechts – wie sie das Parlament darstellen würde – oder eine Stärkung der Domowina geeigneter wäre, die Belange der Sorben zu wahren. Die Domowina sei offen für beide Lösungen. Statnik zitiert allerdings Beispiele aus Österreich, wo das Körperschaftsmodell lange debattiert, aber dennoch nie umgesetzt wurde. Die Initiative verweist dagegen auf Beispiele in Belgien und Ungarn, die man jetzt studieren will.

Statnik sieht ein eigenes Parlament als eine von mehreren Möglichkeiten. Den angestrebten stärkeren Einfluss auf das Schulsystem könnten sich die Sorben auch durch einen Staatsvertrag sichern. Er verweist zudem auf viele juristische Probleme, die mit dem Vorstoß verbunden sind. So müsse geklärt werden, wer das neue Parlament überhaupt wählen darf. Eine sorbische Nationalität wird bisher nirgends amtlich erfasst. Als Sorbe gilt, wer sich dazu bekennt.

Dieser Schwierigkeiten ist man sich in der Initiativgruppe bewusst. »Viele Fragen sind noch nicht gelöst«, räumt der sorbische Dichter Benedikt Dyrlich ein: »Es stellen sich verfassungsrechtliche Grundfragen.« Dennoch sind die Initiatoren zuversichtlich, dass die erste Wahl zum »Sejmik« bereits im Jahr 2013 stattfinden könnte.

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