Stars des Kabarett

Promis und Nachwuchstalente beim Berliner Kleinkunstfestival

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Er ist einer, der immer wieder fassungslos und doch mit Sympathie die Menschen und den Wahnsinn um sich herum beobachtet – und die tagtäglichen Unsinnigkeiten des Lebens mit charmantem holländischem Akzent und viel Witz in Worte fassen kann. Für seine lustigen bis nachdenklichen Alltagsbeobachtungen unter dem Motto »Wie verrückt ist wahnsinnig?« erhielt der niederländische Comedian und Prix Pantheon-Preisträger Philip Simon beim Großen Kleinkunstfestival am Samstag in den »Wühlmäusen« nicht nur jede Menge Applaus, sondern konnte am Ende des Abends auch den Publikumspreis nach Hause tragen.

Bis es soweit war, lachten sich die über 500 Zuschauer im seit Monaten ausverkauften Saal durch ein vollgepacktes Programm, das Stars der deutschen Kabarettszene wie Frank Lüdecke, Herbert Knebel und Mundstuhl mit fünf Nachwuchstalenten zusammenbrachte. Als Moderator der Show, die vom RBB live ausgestrahlt wurde, agierte Dieter Nuhr, der sich unbarmherzig über das bunt-glitzernde, »völlig kranke« Bühnenbild lustig machte. Hausherr Dieter Hallervorden, zuvor in einem Sketch mit Frank Lüdecke als aalglattem Telefonagenten zu sehen, überreichte die Preise: Neben den mit je 2000 Euro dotierten Maus-Trophären des Publikums- und des Jurypreises ging der Berlin-Preis an Hans Werner Olm, den Ehren-Preis erhielt Frank Zander. Der freute sich zwar sehr über »diese schwere Maus«, fand die Würdigung für sein Lebenswerk aber etwas verfrüht. »Ich wollte eigentlich noch nicht aufhören«, sagte Zander und stellte diese Absicht auch gleich mit zwei Kostproben unter Beweis: »Hier kommt Kurt« und die Hertha-Hymne »Nur nach Hause« beendeten den Abend. Nach mehr als vier Stunden hatte sich der Saal allerdings so aufgeheizt, dass die meisten Zuschauer dann doch sichtlich erleichtert vielleicht nicht nach Hause, zumindest aber nach draußen strömten.

Amüsiert hatten sich alle. Nicht nur die bekannten Kabarettisten – neben den Genannten auch das australische Pantomime-Duo The Umbilical Brothers, die Improvisations-Genies von Oropax, Gabi Decker als einzige Frau auf der Bühne sowie die Vorjahressieger Christoph Sieber und Sascha Grammel – , auch die handverlesenen Nachwuchstalente wurden begeistert beklatscht. Ausgesucht werden die Wettbewerbsteilnehmer im Vorfeld von Dieter Hallervorden und dem Regisseur Thomas Kornmayer.

Eins fällt auf: Deutschlands Stars von morgen sind männlich und eher im Comedy-Fach zu Hause denn im politischen Kabarett. Neben dem Publikumsfavorit Philip Simon, der gerne jedes Holländer-Klischee erfüllt und sich gleichzeitig darüber lustig macht, gewann der marokkanischstämmige Abdelkarim Zemhoute aus Bielefeld den Jurypreis für die freche Selbstironie, mit der er Vorurteile gegenüber Ausländern und Hauptschülern (»über uns lachen sogar die Waldorf-Schüler!«) aufs Korn nimmt. »Meine Eltern waren noch Gastarbeiter, ich bin nur noch Gast«, erklärt der 29-Jährige lässig und zupft an seiner Jogginghose – Sprüche, für die ihn das Publikum liebt.

Weiter buhlten der schwäbisch-italienische Roberto Capitoni, der Duisburger Kai Magnus Sting und der Rheinländer Sebastian Pufpaff – ja, der heißt wirklich so und ist angeblich deshalb ins Comedy-Fach eingestiegen – um die Gunst von Publikum und Jury. Auf politische Spitzen oder Analysen, wie sie zum Beispiel Georg Schramm so treffsicher vorbringt, wartete man beim Kleinkunstfestival vergeblich: Nachwuchstalente wie Gaststars entdecken den Witz im oft absurden Alltag und witzeln lieber über Technikwahn, Doku-Soaps und Mann-Frau-Themen denn über Merkel und Co. Politikverdrossenheit hat wohl selbst das Kabarett erreicht.

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