Ewiger Sommer mit Kunstschnee

Das Wittenburger »Alpincenter« soll erweitert werden - die LINKE ist skeptisch

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach einem Jahr Umbau hat der Skihallen- und Hotelkomplex »Alpincenter« an der A 24 in Wittenburg (Mecklenburg-Vorpommern) wieder geöffnet. Nun will der niederländische Erlebnis-Gastro-Investor die Anlage zu einem Feriendorf mit Marken-Einkaufszentrum ausbauen. Aber nicht alle sind damit einverstanden.

In Linstow, direkt an der A 19 auf etwa halbem Weg zwischen Wittstock und Rostock, ist »das ganze Jahr Sommer«. So zumindest beschreibt der Prospekt des dortigen Ferien-»Resorts« das Konzept der Hotel- und Freizeitanlage: Und wem es nichts ausmacht, auf dem Weg vom Schwimmbad zum Bowling auf einer einer künstlich ausgeleuchteten Themen-»Piazza« zu speisen, auf der Italien gleich neben Spanien liegt, der wird den ewigen Sommer dort tatsächlich erleben können.

Golfen und Shopping

Das »Resort« jedenfalls wird vom niederländischen Touristikkonzern van der Falk schon seit etlichen Jahren betrieben - offenbar so erfolgreich, dass die Hotelkette ihre Sommer-Ersatzwelt an der Rostocker Autobahn nun um einen zweiten Erlebnis-Hotel-Park erweitern will: Das »Alpincenter« in Wittenburg - eine im Jahr 2006 eröffnete Erlebnistourisus-Anlage mit Hallen-Skifahren, Kart- und Quadbahn und einem Wasserski-Lift im nahen Zachun - soll kräftig ausgebaut werden. Unter anderem, so hieß es, seien neben einem Ferienhäuser-Dorf ein Golfplatz, ein Schwimmbad und ein Outlet-Zentrum für Markenware an der Autobahn geplant.

Van der Falk hat die Anlage, die einst vom Land mit mindestens 15 Millionen Euro gefördert wurde, Im Jahr 2008 übernommen, nachdem der branchenfremde Anfangsbetreiber aus Hamburg in die Knie gegangen war. Man setzte stärker auf Snowboarder, verstärkte die Bindung an Hamburg und taufte die »Snow Fun World« konsequent in »Alpincenter Hamburg-Wittenburg« um. Der Konzern ist auch vor Jahresfrist nicht ausgestiegen, als Statikprobleme in »Europas größter Skihalle« auftauchten.

Nun wurde die Halle vor wenigen Tagen wieder eröffnet, Unternehmenschef Vincent van der Falk reiste persönlich an, um den Ausbau zu einem »Village« anzukündigen; die Grundstücke seien bereits gekauft. Die angekündigten Investitionen sollen im zweistelligen Millionenbereich liegen und zahlreiche Arbeitsplätze entstehen.

In wenigen Jahren schon will der Hotelier seine Erlebnismaschine anfahren, erweitert um das Golfen für die mutmaßlich betuchten Väter der mutmaßlich markenorientierten und shoppingfreudigen Snowboard- und Action-Sport-Kids.

An der Ernsthaftigkeit der Pläne ist nicht zu zweifeln: Van der Falk ist kein »Visionär« der Sorte etwa des Parchimer Flughafen-Investors, der den spärlichen Normalbetrieb kaum gewährleisten kann und doch zu Präsentationen von Businesshotelparks mit künstlichen Seen einlädt.

Van der Falk ist die größte Hotelkette der Niederlande - und Wittenburg gerät mit einem solchen Ausbau ins Zentrum eines Zweikampfes in der wachsenden Erlebnis-Gastronomie. Denn kaum 100 Kilometer sind es bis nach Bispingen im niedersächsischen Heidekreis, wo gleichfalls 2006 eine Skihalle eröffnet wurde und sich neben der Heidelandschaft ebenfalls ein breites Angebot an »Action« etabliert hat. Dort bekommt eine Anlage von »Center Parcs« den Löwenanteil der Übernachtungen ab.

Die gleichfalls niederländische Kette, die mittelpreisige Themen-Feriendorfanlagen mit Zusatzbespaßung in den 1970er Jahren für den europäischen Markt erfunden hat, ist mit über 20 Anlagen der Platzhirsch. Und sie ist einer der Hauptrivalen der Van der Falks, die im Nordosten bereits eine Anlage am Drewitzer See und ein Haus in Spornitz betreiben und nun mit »Hamburg-Wittenburg« noch einmal nachlegen wollen.

Eine Frage der Kaufkraft

Dass die mutmaßlich bald beantragten Förder-Millionen für eine solche Anlage am Ende einfach versickern könnten, ist - anders als noch 2007 und 2008 - also kaum zu befürchten. Eher das Gegenteil könnte eintreten: Die Anziehungskraft von 1200 Betten und vor allem 100 geplanten Geschäften mit verbilligten Markenprodukten könne auf Nachbarregionen negative Auswirkungen haben, erklärt der Schweriner Linksfraktionschef Helmut Holter: »Es ist zu befürchten, dass die Kaufkraft aus den Zentren der umliegenden Regionen abgezogen wird und diese somit weiter geschwächt werden.«

Holter fordert die Landesregierung von Mecklenburg Vorpommern nun zu einer schnellen Stellungnahme auf. Sie müsse sicherstellen, dass mit einem weiteren Ausbau in Wittenburg nicht gegen »Grundsätze der Landesentwicklung« verstoßen werde. Bereits die Skihalle sei als Ausnahme genehmigt worden.


Ökologie

Aus ökologischer Sicht gibt es erhebliche Einwände gegen den Bau derartiger Skihallen, insbesondere was ihren Energieverbrauch betrifft. Das Alpincenter Wittenburg hat eine Gesamtfläche von 33,8 Hektar, wovon 30 000 Quadratmeter dauerhaft mit Kunstschnee bedeckt sind. Die Hauptpiste ist 330 Meter lang und weist eine Höhendifferenz von 57 Metern auf. Es gibt einen 4er Sessellift, fünf Förderbänder und einen Ankerlift. (ND)

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