»Wir sind gut«

Bundesagentur für Arbeit startet Kampagne, die Vorurteile gegen Hartz-IV-Bezieher abbauen soll

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Zwar ging die Zahl der Langzeitarbeitslosen leicht zurück und sank gar unter die Zwei-Millionen-Marke. Doch nach wie vor ist der Ruf von Hartz-IV-Beziehern so schlecht, dass Arbeitgeber Stellen unbesetzt lassen. Eine Imagekampagne soll das nun ändern.

Das viel beschworene »deutsche Jobwunder« erreicht offenbar neue Dimensionen und damit auch die Langzeitarbeitslosen: So lag deren Zahl im September erstmals seit langem wieder unter zwei Millionen. Glaubt man dem Vorstandsmitglied der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Heinrich Alt, dann »ist die Lage der Arbeitslosen in Hartz IV so erfreulich wie nie«. Zumindest behauptete er dies gegenüber der »Rheinischen Post« vom Mittwoch.

Nicht, dass die Regelsätze endlich armutssicher wären. Nein, der BA-Vorstand erwartet lediglich, dass die Zahl der Hartz-IV-Bezieher, die arbeitslos seien, auch im Oktober unter der magischen Schwelle von zwei Millionen bleibe. »Einen solchen Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit hat es seit Einführung von Hartz IV noch nicht gegeben«, freut sich Alt. Doch wie groß ist der Vermittlungserfolg wirklich?

Die letzten diesbezüglichen Zahlen, die die BA veröffentlichte, stammen vom Mai diesen Jahres. Damals lag die Zahl arbeitsloser Hartz-IV-Betroffener bei 2,03 Millionen. Innerhalb von vier Monaten fanden also etwas mehr als 30 000 Langzeitarbeitslose einen Job. Richtige Erfolgsmeldungen sehen anders aus.

Zumal selbst Heinrich Alt zugeben muss, dass der Einstieg »in Ausbildung und Beschäftigung für viele Menschen in naher oder auch ferner Zukunft unerreichbar« ist. Etwa 900 000 Hartz-IV-Bezieher gelten aus verschiedensten Gründen als unvermittelbar. Hinzu kommen Vorurteile. Eine Mitschuld tragen hier ganz sicher auch Politiker, die Langzeitarbeitslose gern als faul diffamieren. Welcher Chef stellt schon arbeitsunwillige Menschen ein? Zumindest bei der BA will man das Problem erkannt haben und startete am Mittwoch eine Imagekampagne für Hartz-IV-Betroffene unter dem Motto »Ich bin gut«.

Wie Heinrich Alt in Berlin erklärte, würden Betriebe zu wenig auf Arbeitslose in der Grundsicherung zurückgreifen und stattdessen die Stellen häufig unbesetzt lassen. So seien bei der BA derzeit rund 385 000 Stellen in den Branchen Handwerk, Pflege, Dienstleistungen sowie Hotel- und Gaststättengewerbe gemeldet. Dem gegenüber stünden 690 000 Arbeitsuchende im Hartz-IV-Bezug, die über Qualifikationen in diesen Branchen verfügten.

Insbesondere bei »Älteren, Alleinerziehenden, Menschen mit Behinderungen oder Migrationshintergrund bestehen immer noch Vorbehalte auf Seiten der Arbeitgeber, die den Vermittlungsprozess erschweren«, hieß es gestern aus der BA. Die Kampagne »Ich bin gut« soll nun Vorurteile abbauen, indem »Erfolgsgeschichten« von glücklich vermittelten Arbeitslosen erzählt werden. Ob diese Märchenstunde skeptische Arbeitgeber umstimmen wird, ist ungewiss. Zumal es auch auf Seiten der Arbeitslosen etliche Vorbehalte geben dürfte. Etwa gegen die Hungerlöhne im Dienstleistungsgewerbe oder in der Pflege.

Wohin die Reise derzeit wirklich geht, zeigt eine ebenfalls am Mittwoch veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Demnach verringerte sich die Zahl der Vollzeitbeschäftigten um 700 000, während die Zahl der Teilzeitjobber um mehr als drei Millionen auf über zehn Millionen zugenommen hat. Laut Studie arbeiten in Deutschland deutlich mehr Menschen in Teilzeit als im europäischen Durchschnitt. Nicht immer freiwillig: Zwei Millionen Teilzeitjobber würden lieber Vollzeit arbeiten. Kommentar Seite 4

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