Wohin mit alten Windrad-Giganten?

In Deutschland läuft eine Austauschoffensive

  • Von Silke Katenkamp, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Zauberformel bei der Energiewende: Alte Windkraftanlagen durch leistungsstärkere ersetzen. Doch was passiert mit den ausrangierten?

Der Gigant von einst liegt zerstückelt auf einem Rübenacker in Sachsen-Anhalt und sieht aus wie ein gefällter Baum. Zwölf Jahre hielt das 74 Meter hohe Windrad »WW 750/52« in Borne bei Magdeburg seine Flügel in den Wind. Jetzt ist es abmontiert und wartet auf den Abtransport. Es muss Platz machen. Für eine neue Dimension.

Die steht in 500 Meter Entfernung und dreht bereits eifrig ihre Flügel: eine »E-82«. Das Windrad der Firma Enercon zählt zu den neuen Giganten der Windenergie. Mit 138 Metern Höhe und 40 Meter langen Rotorblättern ist es fast doppelt so groß wie das »WW 750/52«. Und kann knapp viermal soviel Strom produzieren. In Borne werden daher bald zwölf dieser Riesen-Räder stehen - und 19 alte, kleinere ersetzen.

Lohnendes Geschäft

Repowering heißt es, wenn viele alte Windräder durch wenige leistungsstärkere getauscht werden. Ein aufwendiges Geschäft - das sich für die Betreiber von Windparks aber lohnt. »Mehr Leistung bedeutet mehr Strom. Und das bedeutet mehr Geld von den Stromanbietern«, sagt Ian Grimble. Er ist der Geschäftsführer der psm WindService GmbH & Co. Der Firma im nordrhein-westfälischen Erkelenz gehören sieben der zwölf neuen Riesenräder in Borne.

Und auch vom Staat gibt's Geld: Für eine Kilowattstunde Strom von einem Windrad, das eine mehr als zehn Jahre alte Anlage ersetzt, zahlt er rund 0,5 Cent extra. »Das dient auch der Entspargelung der Landschaft«, hatte Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) diese von der Regierung geförderte Austauschoffensive gepriesen.

»Die meisten Altanlagen haben ein zweites Leben an einem neuen Standort«, sagt Jan Büsing von der Deutschen Windtechnik AG in Bremen. Er wickelt in Borne den Abbau der Windräder ab - und kümmert sich darum, was danach mit ihnen passiert. Gebrauchte Windräder aus Deutschland drehen ihre Flügel vor allem in Osteuropa und in Ländern des Baltikums weiter. Der Verkauf dorthin ist mittlerweile allerdings nicht mehr so einfach. »Gesetze haben sich geändert«, erklärt Büsing. »Auch dort kriegt man nicht mehr jede Anlage ans Netz.«

Problem Rotorblätter

Was also passiert mit alten oder defekten Rädern? Dies fragen nicht nur Umweltschützer angesichts der etwa 22 000 Windräder, die in Deutschland mittlerweile Strom produzieren. »Ein Großteil der Anlagen kann ohne Probleme wiederverwertet werden«, sagt Alexander Sewohl vom Bundesverband Windenergie. »Zum Beispiel der Beton und der Stahl der Türme.« Problematisch sind allerdings die Rotorblätter. Sie bestehen vor allem aus Fieberglas - also aus Glassträngen, die mit Harz verklebt sind - und gelten als schwer zu recyceln. Deswegen landeten sie in der Vergangenheit nicht selten auf der Deponie. Das ist seit einigen Jahren aber verboten.

Laut einer Branchenstudie werden im Jahr 2020 allein in Deutschland etwa 20 000 Tonnen Rotorblattmaterial anfallen. Zwei Unternehmen aus dem Norden haben daher ein Verfahren entwickelt, die alten Windradflügel doch noch zu nutzen. »In Versuchen haben wir die chemische Eignung für die Zementproduktion festgestellt«, sagt der Geschäftsführer des Entsorgungsunternehmen Zajons, Jörg M. Lempke. Dafür werden die Rotorblätter zerkleinert und verbrannt. Die dabei entstehenden Aschen würden bei der Produktion von Zement eingesetzt. Die Nachfrage nach dem pro Windrad etwa 10 000 Euro teuren Angebot hält sich bisher allerdings in Grenzen.

In Zukunft könnte sich das ändern. Windpark-Betreiber Grimble etwa denkt bereits darüber nach. Für zwei seiner alten Windräder aus Borne habe er noch immer keinen Abnehmer gefunden. »Das Recyceln wäre eine Option, die Flügel loszuwerden.« Denn Zwischenlagern ist auf Dauer zu teuer.

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