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Putin: USA sind mitverantwortlich

Massenfestnahmen und Verurteilungen Dutzender Kremlkritiker in Russland

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach Festnahmen und Verurteilungen Dutzender Kremlkritiker spricht die russische Opposition von den massivsten Repressionen seit dem Beginn der Ära Putin vor elf Jahren. 47 Regierungsgegner sind zu Arreststrafen zwischen vier und 15 Tagen verurteilt worden. Putin seinerseits warf den USA vor, für die Proteste mitverantwortlich zu sein.

Schon Mittwoch früh hatten sich über 10 000 Menschen über soziale Netze wie Facebook als Teilnehmer eines neuen Protestmeetings gegen Manipulationen des Ergebnisses der russischen Parlamentswahlen am 4. Dezember angemeldet, zu dem »Solidarnost« und andere Gruppen der radikalen außerparlamentarischen Opposition für den kommenden Sonnabend aufgerufen haben.

Das Problem: Die Moskauer Stadtregierung hat die Kundgebung zwar genehmigt, die Teilnehmerzahl allerdings auf maximal 300 begrenzt. Sollten es mehr werden, sagte ein Sprecher der Behörde, sei man bereit, mit den Organisatoren über einen anderen Ort zu verhandeln. Dazu indes ist die Opposition nicht bereit: Der »Platz der Revolution« ist einen Steinwurf vom Kreml entfernt, der Name lädt dazu ein, Parallelen zu den derzeitigen Entwicklungen zu ziehen, auch wenn er an die Revolution von 1917 erinnern soll. Dazu kommt, dass Anhänger der Regierungspartei Einiges Russland ihre Sympathiekundgebungen mit mehreren tausend Teilnehmern sehr wohl in Kremlnähe abhalten durften.

Der am Mittwoch offiziell als Präsidentschaftskandidat registrierte Regierungschef Wladimir Putin, der bisher zu den Protesten geschwiegen hatte, sprach sich am Donnerstag für einen Dialog mit der Opposition aus. Sie müsse die Möglichkeit bekommen, ihr Recht auf Demonstrationen wahrzunehmen. »Wir dürfen niemanden in seinen Bürgerrechten einschränken«, sagte Putin in einer Sitzung der von ihm gegründeten Volksfront. »Wenn aber jemand das Gesetz verletzt, müssen die Staatsführung und die Sicherheitskräfte die Vollstreckung des Gesetzes mit allen legalen Mitteln fordern.« Einige der Organisatoren handelten »nach dem bekannten Szenario« und hätten »eng gesteckte eigennützige Ziele«, sagte Putin. Die Mehrheit der Russen aber wolle »keine Entwicklungen wie vor Kurzem in Kirgistan oder der Ukraine«.

Putin warf den USA vor, zu den Protesten aufgerufen zu haben. Die Demonstranten »haben dieses Signal erhalten und dann mit Unterstützung des US-Außenministeriums die aktive Arbeit angefangen«, äußerte Putin am Donnerstag nach Angaben der Agentur Interfax. Den Westen beschuldigte er, die Opposition in Russland zu finanzieren und gegen die Staatsmacht aufzuhetzen.

Vizepremier Igor Schuwalow, Führungsmitglied der Partei Einiges Russland, hatte die Entwicklungen am Vortag als »harte Prüfung« bezeichnet, Altpräsident Michail Gorbatschow sich sogar für Neuwahlen ausgesprochen: Immer mehr Russen würden das Wahlergebnis anzweifeln; die öffentliche Meinung zu ignorieren, diskreditiere die Macht und destabilisiere die Lage.

Von einer Wiederholung des Urnengangs wollen die drei parlamentarischen Oppositionsparteien, die am Sonntag kräftig zulegten, allerdings so wenig wissen wie Einiges Russland. Ohne Schulterschluss zwischen parlamentarischer und außerparlamentarischer Opposition aber erhöht sich die Gefahr einer gewaltsamen Lösung des Konflikts.

Nicht die wachsende Empörung der Massen sei die eigentliche Gefahr, warnte dagegen der Politikwissenschaftler Andrej Piontkowski vom Institut für Systemanalyse der Russischen Akademie der Wissenschaften. Russlands Revolutionen und Aufstände seien stets mehr Palastintrigen gewesen, Entscheidend sei daher die Loyalität der Eliten, und um die stünde es momentan so schlecht wie 1916 oder in der Endphase der Perestroika. Das Regime aber habe keine Ressourcen zum Gegensteuern.

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