Allein gegen Rechts

Dirk Stegemann ist wegen seines Engagements im Visier von Nazis und Populisten

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Klaus Wowereit zeichnete Dirk Stegemann (r.) mit dem Band für Mut und Verständigung aus.
Klaus Wowereit zeichnete Dirk Stegemann (r.) mit dem Band für Mut und Verständigung aus.

Dirk Stegemann bekommt oft Behördenpost. Erst vor einigen Tagen flatterte dem 44-Jährigen ein Brief des Landeskriminalamts 5 (Staatsschutz) ins Haus. In dem Schreiben wird dem Anti-Rechts-Aktivisten mitgeteilt, dass er auf der Internetseite »Nationaler Widerstand Berlin« (NW-Berlin) als »Politischer Gegner« aufgelistet sei. Der Staatsschutz verweist zwar auf die Möglichkeit, Strafanzeige zu stellen, erklärt zudem jedoch: »Eine Überprüfung durch die hiesige Fachdienststelle des LKA Berlin hat ergeben, dass sich allein durch die Thematisierung Ihrer Person auf der fraglichen Liste keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung ergeben.«

»Ich empfinde die polizeiliche Einschätzung als Hohn und Verharmlosung«, sagt Stegemann. Er erinnert an die große Zahl von Anschlägen gegen linke Projekte durch Rechtsextremisten in der Stadt, die offenbar über »NW-Berlin« gesteuert werden (»nd« berichtete). Die Linkspartei will kommende Woche im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses nachfragen, wie die Staatsanwaltschaft gegen diese Bedrohung ermittelt. Auf eine Kleine Anfrage der LINKEN hatte der Senat kürzlich geantwortet, dass er aufgrund dessen, dass der Server von »NW-Berlin« in den USA steht, derzeit nichts unternehmen könne.

Doch für Dirk Stegemann, der sich seit einigen Jahren rund um die Uhr gegen Rechts in Berlin engagiert, sind nicht nur Neonazis ein Problem, sondern die extreme Rechte in ihrer gesamten Bandbreite. Zu seinen Widersachern zählen auch die »Rechtsextremisten light«, die sich in rechtspopulistischen Formationen wie der Freiheit und Pro Deutschland zusammengefunden haben. Gegen deren antimuslimischen Rassismus und EU-Feindlichkeit hat Stegemann mit dem Bündnis »Rechtspopulismus stoppen« monatelang im Wahlkampf Front gemacht. Wo auch immer die Rechten demonstrieren wollten, Stegemann war bereits da, organisierte Lautsprecherwagen und Transparente.

Die Rechtspopulisten antworteten auf ihre Weise: Sie überschütteten den 44-Jährigen mit Anzeigen und Gerichtsverfahren. Wobei das Ziel häufig gar keine Verurteilung ist. »Die wollen mich ausbremsen«, sagt Stegemann. Das juristische Hick-Hack koste Zeit und fresse Energie. Besonders ärgert Stegemann, der auch Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN/BdA) ist, ein Strafbefehl, der ihm Ende Dezember per Post zugestellt wurde: 600 Euro soll er blechen, weil eine von ihm angemeldete Spontandemonstration gegen eine Kundgebung von Pro Deutschland laut Polizei angeblich gar nicht spontan gewesen sei.

Die Rechten waren wegen des muslimischen Kleidungssortiments nach dem Ausfall ihres Anti-Islamisierungskongresses spontan vor dem Laden in Neukölln aufmarschiert. Darauf eilten auch Stegemann und seine Partner dorthin - natürlich auch spontan. Die Polizei behauptet nun, Stegemann habe die Versammlung seit längerem geplant. Dagegen hat er Einspruch eingelegt - man wird sehen wie die Posse ausgeht. Denn das ist die widersprüchliche Welt, in der sich der gänzlich uneitle Aktivist bewegt: Einerseits wird Stegemann im Sommer 2011 vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) persönlich mit dem »Band für Mut und Verständigung« wegen seiner Arbeit für den Zug der Erinnerung ausgezeichnet. Auf der anderen Seite sieht er sich ständig Kriminalisierungen ausgesetzt.

Seinem Engagement tut dies indes keinen Abbruch: Für den morgigen Freitag planen eine Antifa-Gruppe und Dirk Stegemann um 17.30 Uhr eine Demonstration am S-Bahnhof Schönhauser Allee. Dort war am 8. Januar der 23-jährige Hamdi-Tahar A. von mutmaßlich Rechten fast totgeschlagen worden.

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