Überflutet ohne Ende

Die Hochwasser entlang der Müggelspree nehmen überhand

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Bäume am Ufer des Störitzsees stehen mittlerweile dauerhaft unter Wasser.
Die Bäume am Ufer des Störitzsees stehen mittlerweile dauerhaft unter Wasser.

Dass Wasser im Alltag nicht allein Segen, sondern zugleich auch Fluch bedeuten kann, erfahren nicht wenige Anwohner entlang der Müggelspree seit vielen Monaten an eigenem Leibe - volle Gräben bei Neu-Hartmannsdorf, ausufernder Flusslauf bei Mönchwinkel, überschwemmte Wiesen bei Spreetal, weit über die Ufer getretener Störitzsee. Der Wasserspiegel der Spree bleibt bei leichten Schwankungen dauerhaft hoch.

Felder sind überflutet. Keller stehen unter Wasser, immer noch oder schon wieder, auch den Winter über. Diesmal musste vorerst nur einige Wochen lang gepumpt werden, nicht sieben Monate lang wie zwischen Herbst 2010 und Frühjahr 2011. Aber wie wäre die Lage, wenn der Fluss tatsächlich mal echtes Hochwasser führt?

Derzeit sind geschätzt rund 800 Hektar Acker und Wiese dauerhaft überschwemmt und damit vollständig durchnässt, obgleich es wochenlang kaum geregnet hat. Der Boden hat sich dermaßen vollgesogen, dass er kaum noch zu bewirtschaften ist, und dies seit dem Jahr 2006. Orte sind seit 2010 betroffen.

Schlick und Morast breiten sich aus. Entwässerungsgräben werden nach Angaben von Volker Schmohl von der Bürgerinitiative Müggelspree noch immer nicht systematisch und im nötigen Umfang gereinigt. Pumpstationen stehen still, sofern es sie überhaupt noch gibt. Die Müggelspree kann auf der gesamten Strecke zwischen Fürstenwalde und Erkner nicht mehr als Vorfluter genutzt werden. Neben den beiden Städten sind auch Rauen, Spreenhagen, Hangelsberg, Wulkow, Mönchwinkel, Spreeau, Spreewerder, Hartmannsdorf, Steinfurt und Gosen-Neu Zittau betroffen. Bei etwa 2400 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche könne man von rund 5000 betroffenen Grundeigentümern ausgehen, sagt Schmohl, wobei er die Orte und die Wochenendgrundstücke ausgeklammert.

Die Verkrautung der Müggelspree hat dazu geführt, dass am Wehr Große Tränke beispielsweise ein »ganz normaler« Unterpegel erreicht wird, »der knapp unter der Hochwasser-Alarmstufe 2 liegt«, wie in einem Gutachten festgehalten ist. Die Krautung müsse deshalb intensiviert werden, fordert die Bürgerinitiative, weil sich heutzutage Hochwasser und Extremniederschlag nur ganz kurzfristig voraussagen lassen. Mit »Krautung« ist die Entfernung von Unterwasserpflanzen gemeint, die zur Wasserstauung beitragen.

Die Bürgerinitiative hat im zurückliegenden Jahr unter fachlicher Hilfe Unbeteiligter mehrfach und gründlich die Lage in den Niederungen analysiert, darüber hinaus mit Experten, Beamten und Politikern debattiert. Man arbeitete im Hochwasserausschuss der Gemeinde Grünheide mit, kontrollierte und dokumentierte den Zustand der Entwässerungsgräben, übergab das Ergebnis den zuständigen Verwaltungen. Und man trug das Problem in Gemeindevertretungen, Ausschüsse und in den Kreistag.

Wie es scheint, stößt die Bürgerinitiative dabei noch immer auf wenig Verständnis. »Es wird weiter nach dem Wasserunterhaltungsplan gearbeitet, was bedeutet, dass die Situation permanent verschlimmert wird«, meint Beate Matonné-Kunarski, die Sprecherin der Bürgerinitiative. Faktisch laufe alles behördliche und politische Nichthandeln auf die Renaturierung der Landschaft hinaus, was zur dauerhaften Überschwemmung der Region führen dürfte. Werden deshalb Anfragen und Beschwerden der Bürger gewöhnlich nur ausweichend und abwiegelnd oder gar nicht beantwortet?

»Von Überflutungen sind vorrangig Flächen betroffen, die als Überschwemmungsgebiete festgesetzt sind, also bestimmungsgemäß der Aufnahme von Hochwasser dienen«, sagt Umweltministeriumssprecherin Alrun Kaune-Nüßlein zur Lage entlang der Müggelspree. Das ist unumstritten. Bereits zu DDR-Zeiten gab es genehmigte Überschwemmungen. Etwas, das mit dem derzeitigen Ausmaß vergleichbar ist, ereignete sich allerdings zuletzt um 1971 herum, wie sich Alteingesessene erinnern. Damals habe es die Überschwemmung jedoch lediglich für wenige Wochen gegeben. Wie im Archiv der Bürgerinitiative durch einen »nd«-Artikel vom 6. Dezember 1984 belegt ist, mühte man sich in der Folge, dem Problem Schritt für Schritt beizukommen. In dem Beitrag wird am Beispiel des Dämeritzsees bei Erkner geschildert, wie vier Schwimmbagger über Monate den Seegrund von Schlamm und Sand befreiten, um die Strömungsgeschwindigkeit zu beschleunigen, damit Hochwasser schneller abfließen kann.

Aus dem Umweltministerium verlautet, dass »jährlich umfangreiche Krautungsmaßnahmen« durchgeführt werden. Auf der Grundlage von Untersuchungen zum Wachstum der Wasserpflanzen in der Müggelspree, der Wasserstandsentwicklung und der Anforderungen aus der landwirtschaftlichen Nutzung erfolge dies gezielt und systematisch, um den Wasserabfluss bestmöglich zu gewährleisten. Darüber hinaus würden Abflusshindernisse beseitigt sowie Buhnen zurückgebaut. Hinsichtlich der Sohllage auf dem Abschnitt von Neu-Zittau bis unterhalb der Autobahnbrücke werde der Handlungsbedarf gegenwärtig ermittelt. Für den Standort des ehemaligen Schöpfwerkes Wulkower Bogen soll ein wasserwirtschaftliches Nutzungskonzept beauftragt werden, erklärt Kaune-Nüßlein.

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