Ahnungslosigkeit statt Fakten

Mordfall Kiesewetter weiter ungeklärt

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.
Wer hat am 25. April 2007 in Heilbronn die Polizistin Michèle Kiesewetter umgebracht? Wie und vor allem warum musste sie sterben? Eine Antwort erhielten die Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags gestern nicht. Dafür aber die Gewissheit, dass man ihnen weiter Akten vorenthält. Diesmal hat Berlin offenbar einiges zu erklären.

Groß, schlank, feiner Anzug, moderne Brille... Zeuge Axel Mögelin aus Baden-Württemberg ist Kriminaloberrat. Mit 38 Jahren, eine solche Karriere muss auf Leistung beruhen. Es hat also seinen Grund, dass man ihn 2010 mit der Leitung der Soko »Parkplatz« beauftragte, die bis dahin drei Jahre vergebens versucht hatte, den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter und den Mordversuch an ihrem Kollegen Arndt endlich aufzuklären. Man schreibt die Taten der Terrorzelle des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) als Mord Nr. 10 zu. Warum? Man hat die Waffen der beiden Polizisten, die Tatwaffen sowie einige andere Ausrüstungsgegenstände im Arsenal von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und ihrer Kumpanin Beate Zschäpe gefunden. Zeugen gab es jede Menge, doch sie widersprachen sich. Auch die Nummer eines von Böhnhardt unter dem Namen eines Unterstützers gemieteten Wohnmobils war bei der Ringfahndung der Heilbronner Polizei notiert worden. Es gibt zahlreiche Ungereimtheiten bei den Recherchen der Polizei. Noch mehr müssen aber Entscheidungen der zuständigen Staatsanwaltschaft verwundern, die die Veröffentlichung von Phantombildern ebenso wie Tathypothesen der Ermittler ablehnte. So weiß man im Grunde nicht mehr als nach dem Mord vor fünf Jahren.

Der NSU-Untersuchungsausschuss hatte vor seiner gestrigen Sitzung einen weiteren Fall von »Aktenzurückhaltung« beklagt. Sicherheitsbehörden des Landes Berlin sollen im Jahr 2002 Hinweise über Aktivitäten der späteren »Zwickauer Zelle« erhalten haben.

Ob und wie sie weitergegeben wurden und ob - wie manche bereits vermuten - damit der Aufenthaltsort der rechtsextremistischen Mörder ermittelt worden wäre, die zu diesem Zeitpunkt bereits vier Menschen ermordet hatten, ist ungewiss. Man darf vermuten, dass der hauptstädtische Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt nun eifrig nach dem Bericht des V-Mannes Starke suchen. Der soll gewarnt haben, das per Haftbefehl gesuchte »Trio« sei mit Sprengstoff unterwegs.

Es ist seltsam, so sagte ein Mitarbeiter, dass der Ausschuss mit Akten bisweilen zugeschüttet wird, die entscheidenden jedoch fehlen. Dass der Verfassungsschutz in Köln auf Teufel komm' raus schreddert, ist bekannt. Am Dienstag hatte man den Militärischen Abschirmdienst beim Unterschlagen erwischt. Diese Woche wurde in Thüringen bekannt, dass der Inlandsgeheimdienst sein Wissen über Thomas S. vernichtet hat. Der war nicht nur mit Beate Zschäpe, die in Untersuchungshaft sitzt, liiert, er hatte auch nach dem Abtauchen 1998 Kontakt zur Terrorzelle gehalten. Zugleich war er ein exponierter Mann im verbotenen Neonazi-Netzwerk »Blood & Honour«, das den NSU-Terroristen mehr als nur moralischen Rückhalt bot.

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