Gewaltausbrüche in Libanon

Die Auseinandersetzungen nach der Ermordung des Geheimdienstchefs halten an

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem tödlichen Anschlag auf den Chef des Polizeigeheimdienstes in Beirut hat es am Montag weiter gewaltsame Proteste in Libanon gegeben.

Libanon kommt nicht zur Ruhe. Einen Tag nach der Beerdigung des bei einem Anschlag getöteten Chefs des libanesischen Inlandsgeheimdienstes, Brigadegeneral Wissam al-Hassan, berichteten Medien von Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des ehemaligen Ministerpräsidenten Saad Hariri, dem der Ermordete nahe stand, und libanesischen Sicherheitskräften, die versuchten, die Demonstrationen einzudämmen. Dabei kam es nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP zu mehreren Schusswechseln in der libanesischen Hauptstadt Beirut.

Vermummte und teils bewaffnete Kämpfer riegelten mehrere Stadtviertel mit Straßensperren aus Müll, Eisenteilen und Steinen ab. Als die Armee versuchte, die Blockaden aufzulösen, schossen die Männer auf die Soldaten, die das Feuer erwiderten. Auch in der nordlibanesischen Hafenstadt Tripoli und im südlibanesischen Saida kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, als bewaffnete Anhänger Hariris sich den Anordnungen der Sicherheitskräfte widersetzten. Nach unbestätigten Angaben sollen dabei vier Menschen getötet worden sein.

Bereits am Sonntag war es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. Die Demonstranten forderten den Rücktritt von Regierungschef Nadschib Mikati und hatten teilweise versucht, seinen Amtssitz zu stürmen. Sie werfen Mikati vor, die Ermordung Al-Hassans zu »decken«. Mikati, der eine Regierung unter Beteiligung der Schiiten-Partei Hisbollah führt, bot seinen Rücktritt an. Präsident Michel Suleiman lehnte jedoch ab. Saad Hariri, seine politischen Verbündeten und Anhänger machten unmittelbar nach Bekanntwerden des Todes von Al-Hassan Syriens Staatschef Baschar al-Assad und die libanesische Hisbollah verantwortlich. Mit dem Anschlag und flammenden Hassreden politischer Gegner von Hisbollah und Syrien bricht ein latent schwelender Konflikt zwischen zwei gegensätzlichen politischen Bewegungen aus, der von Medien, Politikern und beteiligten Staaten als Kampf der Sunniten gegen den »schiitischen Halbmond« dargestellt wird. Sunniten werden demnach Saad Hariri und dem Königreich Saudi-Arabien zugeordnet, das Hariri unterstützt. Schiiten werden der Hisbollah und dem schiitischen Gottesstaat Iran zugeordnet, der die Hisbollah unterstützt und langjähriger Bündnispartner Syriens ist. Die libanesischen Christen sind gespalten.

Mit der Eskalation des Konflikts in Syrien ergriffen die Kräfte um Saad Hariri ebenso wie Saudi-Arabien und andere Golfstaaten eindeutig Partei für die Aufständischen. Über Nordlibanon gelangen Kämpfer, Geld und Waffen nach Syrien. Die Hisbollah, enger Verbündeter Syriens, versucht in ihrem Einflussbereich den illegalen Transport von Kämpfern und Waffen nach Syrien zu verhindern. Der ermordete Al-Hassan hatte im August den ehemaligen Minister Michel Samaha festnehmen lassen, der angeblich im Auftrag Syriens Sprengstoff nach Libanon geschmuggelt haben soll. Beobachter gehen davon aus, dass die Festnahme Samahas »politisch motiviert« war und vom westlichen Ausland angeleitet wurde.

Hisbollahführer Hassan Nasrallah fordere alle Libanesen zur Geschlossenheit auf. Saad Hariri appellierte an seine Anhänger, sich von den Straßen zurückzuziehen. »Wir wollen die Regierung auf friedliche und demokratische Weise stürzen«, teile er mit.

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