Tropfen auf den heißen Asphalt

Verkehrsinfrastruktur leidet unter der Sparsamkeit - die neuen Mittel helfen wenig

Die Spitzen der schwarz-gelben Koalition haben bei ihrem Treffen in Berlin zusätzliche Mittel für die Verkehrsinfrastruktur beschlossen. Die massiven Probleme der Schiene werden damit nicht behoben.

Es gibt viele Schwachstellen in der deutschen Verkehrsinfrastruktur: Für die wichtigsten Aus- und Neubauvorhaben im Bereich Schienenwege fehlen in der Etatplanung jährlich mindestens 400 bis 600 Millionen Euro. Außerdem müssen 1500 Kilometer Fahrstreifen von Autobahnen und 3500 Kilometer von Bundesfernstraßen erneuert werden. Allein die nötigste Instandhaltung maroder Brücken würde in den nächsten fünf Jahren sieben Milliarden Euro kosten. Auch die Wasserstraßen befinden sich in schlechtem Unterhaltungszustand: Das Bundesverkehrsministerium vergab bei einer Untersuchung für jede dritte Schleuse die Note 4 und schlechter. Der Ausbau des Nord-Ostsee-Kanals ist erforderlich. Wenn die Zufahrten zu den Seehäfen nicht verbessert werden, gehen Güterumschlagmengen an ausländische Häfen verloren. Die gesamte Verkehrsinfrastruktur hat laut einer Schätzung des Beratungsinstituts ProgTrans zwischen 1980 und 2010 ein Achtel ihres Wertes verloren.

Angesichts dieser langen Liste schlugen die Lobby-Verbände des Verkehrssektors vor wenigen Tagen mal wieder Alarm: »Seit vielen Jahren sind die Verkehrswege dramatisch unterfinanziert. Unser Land zehrt von der Substanz«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die u.a. vom Bundesverband der Deutschen Industrie und dem Deutschen Verkehrsforum unterzeichnet ist. »Mit Ausnahme der Jahre 2009 und 2010 hat der Bund weniger als 10 Milliarden Euro jährlich in die Verkehrswege investiert. Der Bedarf liegt aber bei jährlich 14 Milliarden Euro.« Die Folgen seien bereits zu spüren: Staus, Straßen- und Brückensperrungen. Es sei unverantwortlich, weiter auf Verschleiß zu fahren.

Ronald Pörner, Hauptgeschäftsführer des Bahnindustrieverbands VDB, weist darauf hin, dass das Geschäft mit Ausrüstungen für die Bahninfrastruktur auf niedrigem Niveau stagniert. Denn der Neu- und Ausbau von Bahnanlagen samt der Leit- und Sicherungstechnik wird aus Steuermitteln finanziert. Jährlich fließen 2,5 Milliarden Euro Bundesmittel in das Bestandsnetz der Deutschen Bahn für Ersatzinvestitionen. Die DB beteiligt sich am Neu- und Ausbau von Anlagen mit etwa 250 Millionen. Die Instandhaltung, jährlich 1,2 Milliarden Euro, finanziert die Bahn vollständig aus eigenen Mitteln.

Dass all dies nicht ausreicht, bekommt der Bahnreisende bei Zugverspätungen zu spüren. Aufgrund der permanenten Unterfinanzierung wird der Ausbau dicht befahrener Strecken und der Knoten unterlassen. Auch die Deutsche Bahn hat dazu beigetragen, indem sie rigoros ihre Anlagen minimierte, um das Anlagekapital nicht mit den Kosten der Instandhaltung zu belasten.

Auch die Anlagen der nichtbundeseigenen Eisenbahnen, ein Netz von insgesamt 3500 Kilometer Gleisen, sind jährlich um 150 Millionen Euro unterfinanziert. Im Koalitionsvertrag hatten Union und FDP einst versprochen, die DB-Konkurrenz zu unterstützen. Das war rasch in Vergessenheit geraten.

Die zusätzliche Milliarde, die der Bund für den Verkehrsetat 2012 beschlossen hatte, war ein Tropfen auf dem heißen Stein. Für die Schiene wurde nur ein Zehntel des Betrags vorgesehen, während 60 Prozent den Fernstraßen zugutekamen. Im Bundeshaushalt 2013, der derzeit in den Bundestagsausschüssen beraten wird, sind abermals nur rund zehn Milliarden Euro vorgesehen. Das gilt auch für die weitere Planung bis 2016. Dabei sind die Anforderungen an die Infrastruktur - zum Beispiel beim Lärmschutz - gestiegen. Die Verkehrsminister von Bund und Ländern loten deshalb zusätzliche Einnahmemöglichkeiten wie eine City-Maut oder eine Pkw-Autobahnmaut aus.

Nun hat der Koalitionsausschuss bei den Beratungen in der Nacht auf Montag zusätzlich 750 Millionen Euro für den Etat von Minister Peter Ramsauer (CSU) in Aussicht gestellt. Damit sollen vorrangig Neubauprojekte finanziert werden. Die Allianz pro Schiene forderte, dass diesmal mindestens die Hälfte der Mittel in die Schieneninfrastruktur investiert werden sollen. Denn »der Bedarf im Netz ist immens«. Dem Umweltverband BUND geht es indes nicht um pauschal mehr Geld, sondern darum, dass die zusätzlichen Mittel für die Sanierung der bestehenden Infrastruktur und für Schienengüterprojekte eingesetzt werden. »Deutschland braucht keine neuen Autobahnen«, erklärte der BUND-Verkehrsexperte Werner Reh. Die zusätzlichen Mittel dürfe Minister Ramsauer »nicht für teure potemkinsche Verkehrsprojekte zum Fenster hinauswerfen«.

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