Falsche Anreize

Ersatzkassen sehen ihre Überschüsse schwinden

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) monierte am Mittwoch in Berlin Versäumnisse und falsche Anreize durch die Mechanismen der aktuellen Gesundheitspolitik.

Nach vier Jahren sei klar: Gesundheitsfonds und einheitlicher Beitragssatz setzten ein »völlig falsches Signal«, kritisiert der vdek-Vorsitzende Christian Zahn. Es habe »absurde Diskussionen um Überschüsse« gegeben, die Kassen seien gezwungen, nach rein ökonomischen Anreizen zu handeln. Nach ersten Insolvenzen und massiven Wanderungen von Versicherten versuchten alle, Zusatzbeiträge um jeden Preis zu vermeiden. Zahn fordert »Wettbewerb mit richtigen Anreizen« für eine bessere medizinischen Versorgungsqualität. Dazu sollten die Kassen künftig ihren Beitragssatz wieder allein festlegen können.

Der vdek war Ende 2012 die mitgliederstärkste Kassenart mit knapp 20 Millionen Versicherten und vertritt sechs Versicherer, darunter die Barmer GEK und die Techniker Krankenkasse. Zusammen verfügt man über ein finanzielles Polster von 5,9 Milliarden Euro aus dem Vorjahr. Das entspreche aber in etwa nur den Ausgaben der Kassen für einen Monat, relativierte vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner die Summe. Diese Reserven seien Begehrlichkeiten von mehreren Seiten ausgesetzt. So sei der Bundeszuschuss für den Gesundheitsfonds um 4,5 Milliarden Euro gekürzt worden, die Praxisgebühr bereits weggefallen und den Ärzten höhere Honorare von 1,2 Milliarden Euro versprochen worden. Im Bundestagswahlkampf sieht der vdek weitere Ausgabenerhöhungen kommen, da die Regierung noch hier und da Geschenke verteilen wolle. Dies führe zu steigenden Honoraren, nicht aber zu einer besseren Versorgung.

Verbandsvorsitzender Zahn nannte weitere Versäumnisse der Bundesregierung in der Pflegereform: Weder sei ein neuer Begriff der Pflegebedürftigkeit eingeführt noch die Finanzierung gesichert. Die private Zusatzversicherung könne der Verband seinen Versicherten nicht empfehlen. Selbst die Bundesregierung rechne nur mit 1,5 Millionen Verträgen, das wären zwei Prozent der rund 70 Millionen Versicherten der sozialen Pflegekassen.

Weiteres Ungemach sehen die Ersatzkassen in europäischen Entwicklungen. Danach könnte es in Zukunft zur Aufhebung des Privilegs kommen, dass in der Bundesrepublik medizinische Leistungen von der Mehrwertsteuer befreit sind. Für die gesetzlichen Krankenkrassen könnte das zu Mehrbelastungen von 26 Milliarden Euro führen, bei der Pflege von etwa drei Milliarden Euro.

Weitere Probleme könnten sich daraus ergeben, dass Krankenkassen in Zukunft wie privatwirtschaftliche Unternehmen behandelt würden. Dann seien etwa Festbeträge für Arzneimittel nicht mehr zulässig, womit ein wichtiges Steuerungsinstrument für die Versorgung wegfalle. Die Gesetzesnovelle wurde durch ein Veto des Bundesrates vorerst in den Vermittlungsausschuss verwiesen.

Das im Referentenentwurf vorliegende Präventionsgesetz der Bundesregierung bezeichnet Ulrike Elsner als »nicht nötig«. Sie verwies auf das bestehende Engagement der gesetzlichen Krankenversicherer in diesem Bereich, das in den nächsten fünf Jahren vor allem in Schulen verstärkt werde. Nötig sei eine finanzielle Beteiligung insbesondere der privaten Krankenversicherungen.

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