»Ich bin dankbar, kein Held sein zu müssen«

Die Bekenntnisse des Christdemokraten Rainer Eppelmann zu seinem 70.

  • Martin Lejeune
  • Lesedauer: 2 Min.

Viele prominente Konservative waren gekommen, um ihm zu seinem 70. Geburtstag zu gratulieren - dem Pfarrer in der Samariterkirchengemeinde in Berlin und Bürgerrechtler in der DDR, Rainer Eppelmann. Politische Schwergewichte wie der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Hermann Otto Solms, die frühere Bundesfamilienministerin Rita Süssmuth und CDU-Gerneralsekretär Hermann Gröhe befanden sich am Dienstagabend unter den 150 Gratulanten in der Konrad-Adenauer-Stiftung, die dem Jubilar ein Podiumsgespräch schenkte: »Das 20. Jahrhundert zwischen Diktatur und Demokratie«.

Eppelmann war im September 1989 Mitbegründer der oppositionellen Gruppe Demokratischer Aufbruch, die im August 1990 mit der CDU fusionierte. Bis heute ist er in dieser Partei aktiv und eines von 56 Mitgliedern der Konrad-Adenauer-Stiftung. »Ich bin dahin gekommen, wo ich viele Jahre hin wollte«, resümiert er. »Ich habe mich in der Diktatur danach gesehnt, mehr Chancen im Leben zu haben. Die Demokratie hat sie mir gegeben.« Eppelmann weiß auch den Grund dafür, weshalb die durch die Diktatur der DDR so schrecklich Unterdrückten so viele Jahrzehnte für ihre Befreiung brauchten: »Das hatte mit fehlender Fantasie zu tun, die hingegen unsere polnischen Nachbarn hatten.«

Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin, begründete die Wahl des Präsentes für Eppelmann pathetisch: »Ihr Lebenslauf ist tief eingewoben in die deutsche Erfahrung mit den Diktaturen und Demokratien des 20. Jahrhunderts.« Bernhard Vogel, dereinst Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, erinnerte sich, Eppelmann vor 25 Jahren bei einer Tasse Filterkaffee in Trier kennengelernt zu haben. Er hätte es damals nicht für möglich gehalten, ihm einmal in einem nicht mehr geteilten Berlin zum 70. Geburtstag zu gratulieren. Sodann umarmte Vogel tief gerührt den neben ihm auf den Podium sitzenden Eppelmann. Dieser winkte vom Podium immer mal wieder irgend jemandem im Publikum mit jovialen Lächeln zu, während die anderen etwa darüber stritten, ob Hitler 1933 die Macht usurpierte oder Hindenburg sie ihm übertrug.

Von ihrer ersten Kindheitserinnerung an die Diktatur erzählte Irina Scherbakova von der Bewegung MEMORIAL in Moskau. Als sie 1957 in die erste Klasse ging, wurde sie von ihrem Lehrer zum Altpapiersammeln geschickt. »Ich erlebte, mit wie viel Freude und Erleichterung mir die Menschen ihre Stalin-Bücher aushändigten.« Kazimierz Wóycicki, ehemaliger polnischer Dissident, hält den Ausspruch »Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstreit« von Bärbel Bohley für falsch: »Ich dagegen würde sagen: Wir wollten Bananen und bekamen Orangen.« Wóycicki wies darauf hin, dass Eppelmann nur im Hauptstadtsitz der CDU gefeiert werde, in der ostdeutschen Provinz hingegen kein Held sei. Worauf Eppelmann erwiderte: »Ich bin dankbar, keiner sein zu müssen.«

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