Von hundert Schritten sind erst fünf getan

Neu-Bundestrainer Henning Lambertz setzt auf den talentierten Nachwuchs, der sich bei den Meisterschaften an leichteren Normen erfreute

  • Klaus Weise
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Jahresbeginn ist Henning Lambertz Chefbundestrainer Schwimmen des DSV, als Nachfolger für den Hamburger Dirk Lange. Nach der ersten Deutschen Meisterschaft mit dem 42-Jährigen als sportlichem Kopf lässt sich feststellen, dass wohl ein geeigneter Kandidat für die Zeit bis Rio 2016 zum Lenker gekürt wurde.

Lambertz versprüht eine Menge Ideen, zeigt sich kommunikativ, medientauglich und kompetent. Eine Massierung von Vorzügen, die es so bis dahin nicht gegeben hatte. Schon vor der Meisterschaft in Berlin, die am Sonntag zu Ende ging und Zwischenetappe auf dem Weg zum Jahreshöhepunkt WM in Barcelona war, hatte Lambertz schon mal Akzente gesetzt.

Er modifizierte die Normen, bildete ein Topteam (»Traumpaar« Steffen/Biedermann, Brüderpaar Steffen und Markus Deibler) mit nur vier Aktiven und ein Perspektivteam (je 12 Frauen- und Männertalente) und versuchte in Gesprächen und Mails den Nachwuchs in Stimmung zu bringen, auf dass in den kommenden Jahren wieder Licht in dem deutschen Tunnel erkennbar werde. »Wir stehen erst am Start eines Langstreckenrennens, bei dem wir nicht nur ankommen, sondern vorn dabei sein wollen«, sagt er.

Mit abgesenkten Normen, so das Konzept des Schwimmlehrers, soll nicht etwa auch das Niveau abgesenkt werden. Vielmehr will Lambertz vermeiden, dass der Zwang, die in der Vergangenheit zu hoch gesetzte Messlatte zu überspringen, den Leistungshöhepunkt für die Aktiven in der Saison vorverlagert und sie danach in ein Loch fallen lässt. Es müsse Raum für Formsteigerungen beim tatsächlichen Saisonhöhepunkt gelassen und für die Talente und die zweite Reihe ein Anreiz geschaffen werden, die Normmarken überhaupt zu erreichen.

Berlins Landestrainer Harald Gampe, der mit Rücken-Jungstar Selina Hocke (16) die DM-Aufsteigerin schlechthin unter seinen Fittichen hat (Mehrfach-Meisterin und für die WM qualifiziert), hält das für »eine ausgemacht gute und sinnvolle Idee, die, wie man sieht, funktioniert. 21 Schwimmerinnen und Schwimmer erfüllten die Norm in Berlin.

Landestrainer Gampe sagt, als er von Lambertz' Plänen gelesen habe, habe er neu nachgedacht und mit Selina Hocke die weit entfernt scheinende WM in Barcelona ins Visier genommen. Zuvor war nur die Junioren-WM in Dubai ein Thema gewesen. Die plötzliche Erreichbarkeit der Welttitelkämpfe stimulierte die Rückenschwimmerin ungemein, sie schwamm serienweise Bestzeiten und besiegte Favoritin Jenny Mensing (Wiesbaden) ein ums andere Mal.

Selina Hocke ist aber bei Weitem nicht der einzige Name, der in diesem Zusammenhang zu nennen wäre. Auch Margarethe Hummel (Berlin), Leonie Antonia Beck (Würzburg), Sarah Köhler (Frankfurt/M.), Kevin Wedel (Rheinhessen), Marek Ulrich (Halle/S.) oder Maximilian Oswald (Berlin) gehören zur Kategorie jener, die es in Zukunft richten sollen.

Dass sich bei seiner Bundestrainer-Premieren-DM diesbezüglich einiges getan hat, stimmt Lambertz zufrieden. Schon bei der WM-Nominierung werde er zeigen, wie ernst er am Thema Perspektivkader arbeitet. »Wir werden per Wild Card je ein Talent bei Frauen und Männern ins Team nehmen, unabhängig davon, ob die Norm erreicht wurde oder nicht.« Alles in allem sei das bislang Geschehene »nur der allererste Anstoß, der Beginn der wirklichen Arbeit«.

Und ergänzt nach kurzem Nachdenken: »Wenn wir bis Rio einen Weg mit 100 Schritten zurückzulegen haben, dann waren das jetzt fünf.«

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