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Liste outet Bayerns Amigos

Abgeordnete von drei Fraktionen beschäftigten Angehörige auf Staatskosten

Die Verwandtschaftsaffäre in Bayern zieht immer weitere Kreise. Wie jetzt bekannt wurde, hat nicht nur die CSU Angehörige mit gut bezahlten Jobs versorgt.

Es schien zunächst nur ein Problem der Christsozialen zu sein. Doch jetzt wächst sich die Amigoaffäre im Freistaat zu einer handfesten Parlamentskrise aus. Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) hat gestern eine Liste von 79 Abgeordneten veröffentlicht, die seit dem Jahr 2000 Angehörige auf Staatskosten als Mitarbeiter beschäftigt haben. Bei den meisten handelte es sich um Mitglieder der CSU, darunter waren aber auch SPD-Parlamentarier und ein Abgeordneter der Grünen.

Bis 2003 haben 32 Abgeordnete die Verträge mit Angehörigen beendet, in der Legislaturperiode bis 2008 dann 30 weitere. Zuletzt hatten noch 17 CSU-Abgeordnete Familienangehörige beschäftigt, hieß es gestern. Einer der prominentesten Politiker auf der Liste ist der ehemalige Kultusminister Siegfried Schneider. Laut Landtag soll der Angestelltenvertrag in dem Jahr geendet haben, in dem der CSU-Mann Schneider in das Kabinett aufgestiegen ist.

In Bayern ist es Landtagsabgeordneten seit 2000 nicht gestattet, enge Angehörige zu beschäftigen. Es gibt aber eine Übergangsreglung für damals bestehende Altfälle.

Über die Affäre sind bereits zwei Politiker gestolpert: Georg Schmid und Georg Winter. CSU-Fraktionschef Schmid hatte seine Ehefrau als Sekretärin beschäftigt und mit einem Salär von bis zu 5500 Euro im Monat entlohnt. Schmid kündigte unterdessen seinen Rückzug aus der Politik an. Sein Parteifreund Winter räumte seinen Posten als Chef des Haushaltsausschusses. Er stand wegen der Beschäftigung seiner minderjährigen Söhne in der Kritik.

Für die CSU sind es unterdessen schwierige Zeiten. Erst wurde bekannt, dass der Parteiintimus und Präsident des FC Bayern, Uli Hoeneß, Millionen in der Schweiz gebunkert und nicht versteuert hat. Und jetzt bringt Vetternwirtschaft besonders die Christsozialen in Bedrängnis. Bei der Landtagswahl in Bayern Mitte September würde die CSU gern die absolute Mehrheit zurückerobern, um bei einer Regierungsbildung nicht auf ein gutes Wahlergebnis der FDP angewiesen zu sein. Unter den gegebenen Umständen dürfte das alles andere als einfach werden.

Landtagspräsidentin Stamm war indes bemüht, die Wogen etwas zu glätten. Sie betonte, dass die Übergangsregelung geltendes Recht sei, räumte aber gleichzeitig ein, dass »eine so lange Übergangsregelung nicht mehr vermittelbar« sei. Bei der nächsten Landtagssitzung in knapp zwei Wochen sei geplant, ein neues Gesetz zu verabschieden. Danach sollen ab nächsten Monat Verwandte ersten, zweiten und dritten Grades sowie Verschwägerte oder Lebenspartner nicht mehr aus der Mitarbeiterentschädigung entlohnt werden.

Der SPD reicht das nicht. Ihr Spitzenkandidat Christian Ude fordert den Rücktritt von fünf Kabinettsmitgliedern mit CSU-Parteibuch. Es geht um Kultusminister Ludwig Spaenle, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und drei Staatssekretäre. Auch sie hatten ihre Frauen beschäftigt. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt bezeichnete diese Forderungen als »übles und durchsichtiges Wahlkampfmanöver«. Es werde Ude nicht gelingen, dadurch von der Verstrickung von SPD-Abgeordneten abzulenken.

Die Christsozialen sind indes bemüht, zur politischen Normalität zurückzukehren. Sie wollten gestern ihren Parteichef Horst Seehofer als Spitzenkandidat für die Landtagswahl nominieren.

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