Von Sven Günther bis Ulf Kirsten

170 Ostfußballerkarrieren im Westen

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 2 Min.

Sven Günther aus Zwickau war als Fußballprofi nur mäßig erfolgreich. Einer der Gründe dafür, dass er 1998 bei seinem Wechsel in die erste Liga den 1. FC Nürnberg wählte, und nicht Eintracht Frankfurt (wohin er erst 2002 ging), mag überraschen: Nürnberg liegt näher an seiner sächsischen Heimat. So erzählt es Michael Peter in seinem Buch »Ballack, Sammer & Co. Wie Fußballdeutschland von der Wiedervereinigung profitierte«. Das Geschichtchen steht sinnbildlich für das Buch, in dem wir Eckdaten und Anekdoten über Fußballprofis erfahren, die schon aus unserem Gedächtnis verschwunden sind (über aktuellere aber auch).

Michael Peter »zeichnet den Weg aller 170 Spieler nach, die aus dem Osten stammen und seit 1989 mindestens ein Bundesligaspiel im Westen bestritten haben«, so beschreibt es der Verlag. Dieses Ansinnen verfolgt der Autor akribisch, wodurch etliche Spieler in dem Buch gelandet sind, die kaum gespielt haben und daher quasi unbekannt sind. Dabei ist die zeitliche Ausdehnung der Begriffe »Ost« und »West«, die Peter vornimmt, fragwürdig. Dass er Spieler, die nach dem Ende der DDR geboren wurden, mit aufnimmt, erscheint fehl am Platz: Es sind nur zwei Handvoll Spieler (darunter die Nationalspieler Toni Kroos und Marcel Schmelzer), die zwischen 1988 und 1994 geboren wurden und zumeist schon in der Jugend zu »Westvereinen« wechselten.

Ein Verdienst von Peter - der selbst 1974 in Sachsen geboren wurde und seit 2008 im Medien- und im Nachwuchsbereich des VfL Wolfsburg arbeitet - ist es, in Erinnerung zu rufen, wie viele Bundesligastars der 1990er Jahre aus der DDR kamen. Hier hat der Autor eine wahre Fleißarbeit abgeliefert. Nur hätte er dabei Unterstützung gebraucht, denn an der deutschen Sprache begeht er so manches Foul. Stilistisch ist der Autor eher Carsten Ramelow denn Michael Ballack: Noch dazu zieht sich eine Vielzahl an Rechtschreib-, Grammatik- und Namensfehlern durch die Seiten. Für den West-Leser bleibt dabei vieles unverständlich, da Begriffe wie FUWO, Barkas und FDGB nicht erklärt werden.

Mindestens die Hälfte der von Peter porträtierten Spieler lebt seit dem Karriereende wieder im Osten des Landes. Hierfür gibt es offensichtlich noch mehr Gründe als die pure Heimatliebe: Es herrscht auch im darbenden Fußballosten ein gewisser Bedarf an Spielern, Trainern und Betreuern - Arbeitsstellen, die weit weniger begehrt sind als solche westlich der Elbe. Peters Buch veranschaulicht hier ein Phänomen im Profifußball, das in seiner gesamtgesellschaftlichen Dimension wohlbekannt ist: das Ausbluten Ostdeutschlands.

Michael Peter: Ballack, Sammer & Co. Wie Fußballdeutschland von der Wiedervereinigung profitierte, Agon, 440 Seiten, 25,90 €.

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