Streit um Sozialwohnungen

Bund wirft Berlin und Brandenburg Zweckentfremdung der Mittel vor

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Bundesbauministerium hat Berlin und anderen Bundesländern vorgeworfen, Bundeszuschüsse für den sozialen Wohnungsbau für das Stopfen von Haushaltlöchern zu verwenden. Neben der Hauptstadt hätten auch Brandenburg, Bremen, das Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen seit 2009 mit den Geldern so gut wie keine Sozialwohnungen geschaffen. Die Länder erhalten jährlich 518 Millionen Euro vom Bund, davon Berlin gut 32 Millionen Euro. Berlin zahlt mit dem Geld Altschulden aus dem sozialen Wohnungsbau ab, die jährlich etwa ein Zehnfaches dieser Summe betragen.

Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) nannte die Vorwürfe einen »alten Hut«, da sie immer mal wieder aufkämen. Zudem seien sie auch falsch, denn es handele sich um keine Zweckentfremdung. Seine Verwaltung habe es schriftlich aus dem Bundesfinanzministerium, dass die Gelder für die Ausfinanzierung der laufenden Programme des sozialen Wohnungsbaus verwendet werden können. Damit wird die Zinsbelastung gesenkt, die den Bauherren für ihre bis Ende der 90er Jahre errichteten Wohnungen entstehen.

Auch der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, hält deshalb die Verwendung der Gelder im rechtlichen Sinne für keine Zweckentfremdung. »Aber ein Skandal ist es trotzdem. Denn sie sind natürlich nicht zum Tilgen von Schulden aus dem sozialen Wohnungsbau gedacht, sondern für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, sei es durch die Förderung von Neubau oder Sanierung.« Aus dem sozialen Wohnungsbau hatte sich Berlin aber schon 2002 verabschiedet, wegen der angespannten Lage im Haushalt und der angeblich entspannten auf dem Wohnungsmarkt. Die Zahl der Sozialwohnungen ist seitdem drastisch gesunken, allein in den vergangenen drei Jahren um rund 30 000 auf 144 000.

Künftig will der Senat auch wieder in die Wohnungsbauförderung einsteigen. Dafür sollen dann auch die 32 Millionen Euro vom Bund verwendet werden, die der Senat um die gleiche Summe aus dem Landeshaushalt aufstockt. Die jährlich 64 Millionen Euro sind in den Entwurf des Doppelhaushalte für 2014/2015 eingestellt. Über die Vergabemodalitäten wird noch zwischen der Stadtentwicklungs- und Finanzsenator verhandelt. Davon hängt auch ab, wie viele neue Wohnungen gefördert werden können und wie hoch die Mieten liegen werden.

Baustaatssekretär Ephraim Gothe rechnet damit, dass mit den Geldern etwa 25 Prozent der Baukosten gefördert und die Mieten auf sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter gedrückt werden können. »Viel zu hoch«, findet Wild. »Stuttgart oder Schleswig-Holstein bauen Sozialwohnungen für fünf Euro pro Quadratmeter.« Der Chef des Mietervereins fordert, verstärkt auch bestehende Sozialwohnungen zu fördern, um die Mieten zu drücken. Denn in ihnen sind sie heute oft höher als in frei finanzierten Wohnungen. Der Mieterverein setzt sich deshalb für eine sogenannte Richtsatzmiete für Sozialwohnungen ein, die zehn Prozent unter der Mietspiegelmiete liegen sollte.

Die bisher vorgesehenen Fördersumme für den sozialen Wohnungsbau hält Wild für zu gering. Damit könne man kaum mehr als 1700 Sozialwohnungen jährlich bauen. »Berlin braucht aber mindestens insgesamt 200 000 Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen«, so der Chef des Mietervereins.

Auch in Brandenburg kam die Schelte aus dem Bundesbauministerium nicht gut an. Das Geld sei »zu 100 Prozent zweckentsprechend eingesetzt worden«, versicherte der Sprecher des Infrastrukturministeriums, Lothar Wiegand. Es sei zwar richtig, dass in Brandenburg nicht so viele Sozialwohnungen neu gebaut werden, weil der Bedarf nicht so groß sei. »Wir haben ein Leerstandsproblem«. Die Masse der Bundesmittel - insgesamt etwa 30 Millionen Euro im Jahr - werde dafür verwendet, in Wohnblöcken Aufzüge nachzurüsten. Dies komme auch den Sozialwohnungen zugute, betonte er.

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