An den ERT-Mikros bis zum Schluss

Griechische Regierung räumte Sendeanstalt / Opposition: Schwarze Seite der Demokratie

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.

»Soeben steht die Staatsanwaltschaft im Gebäude der ERT und fordert die Angestellten und mit ihnen Solidarische auf, das Gebäude zu räumen. Der Kampf um Demokratie und Gerechtigkeit, den die Angestellten der ERT seit über vier Monaten führen, hat seinen kritischsten Moment erreicht! Alle zum Sendergebäude!« Mit diesen Worten über den Radiosender der ehemaligen öffentlich rechtlichen Sendeanstalt Griechenlands, ERT, ging die wohl längste Besetzung eines Staatsbetriebes in Griechenland zu Ende. In den frühen Morgenstunden des Donnerstag drangen Beamte der Bereitschaftspolizei in die seit ihrer Schließung Mitte Juni von entlassenen Angestellten besetzte Zentrale der Fernseh- und Rundfunkanstalt ein.

Die Besetzer blieben bis zum letzten Moment an den Mikrofonen, alle etwa 200 anwesenden ehemaligen Mitarbeiter und mit ihnen Solidarische ließen sich aber ohne jede Gegenwehr aus dem Gebäude führen. Ein Betriebsratsmitglied wurde vorläufig in Polizeigewahrsam genommen, wenig später jedoch wieder freigelassen. Mit Tränengas ging die Polizei jedoch gegen die mehreren Hundert Menschen vor, die sich zur Unterstützung der Besetzer in kurzer Zeit vor dem Sender versammelt hatten.

»Die Intervention der Polizei im Sendegebäude der ERT wurde zur Durchsetzung des Gesetzes und zur Wiederherstellung der Legalität durchgeführt«, erklärte Regierungssprecher Simos Kedikoglou unmittelbar nach der Räumung. »Der Sender befand sich unter illegaler Besetzung, die der Griechischen Demokratie täglich Schaden bereitete, und geschah in Anwesenheit der Staatsanwaltschaft.«

»Mit dem heutigen Eindringen der Bereitschaftspolizei in das Sendergebäude der ERT vollendet die Regierung eine vollkommen putschähnliche Aktion zu Lasten der Informationsfreiheit und der Demokratie, die sie am 11. Juni begonnen hat«, kommentierte dagegen die Linkspartei Syriza die Räumung.

Der Regierung aus PASOK und Nea Dimokratie bescheinigte die größte Oppositionspartei, sie habe »absolut illegal agierend eine schwarze Seite in der Geschichte des öffentlich rechtlichen Fernsehens und der Demokratie in unserem Land« geschrieben. Zwei Tage zuvor habe die Regierung den Eigentümern der privaten Sender die neuen Lizenzen für die digitalen Kanäle geschenkt.

Probleme in einer Demokratie würden »im Dialog unter Beteiligung der Gesellschaft und mit Hilfe der Demokratischen Institutionen und nicht mit Repression und Willkür gelöst«, erklärte der auch für die ERT Angestellten zuständige Gewerkschaftsdachverband im öffentlichen Dienst, ADEDY, an die Adresse der Regierung gerichtet. Er warf der Regierung vor, statt dessen einen anderen Weg gewählt zu haben: »Sie hört nicht zu, sie sieht nicht hin, sie diskutiert nicht. Sie zwingt einfach auf!«. Gleichzeitig rief der Gewerkschaftsdachverband zu einer Protestdemonstration vor dem Sendergebäude auf.

Die 1966 gegründete öffentliche rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalt ERT war am 11. Juni dieses Jahres auf Beschluss von Ministerpräsident Antonis Samaras von einem Tag auf den anderen geschlossen worden. Dabei verloren etwa 2500 Angestellte über Nacht ihre Stellen.

Aus Protest gegen die Schließung war damals die kleinste Koalitionspartnerin DIMAR aus der Regierung ausgetreten. Diese stützt sich seither nur noch auf die Abgeordneten der Nea Dimokratia von Samaras und der PASOK von Vizepremier und Außenminister Evangelos Venizelos. Seit Mitte Juli übernahm übergangsweise das »Griechische Öffentliche Fernsehen, DT« die Ausstrahlung eines zunächst auf alte Filme beschränkten, nun mit Livesendungen und Nachrichten aufgestockten Programms. Diese Übergangslösung mit wenigen Hundert Angestellten soll spätestens im nächsten Jahr von der neuen öffentlich rechtlichen Anstalt NERIT abgelöst werden.

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