Umzug per Menschenkette

Das Kneipenkollektiv »BAIZ« nutzte seinen Ortswechsel zum Protest gegen die zunehmende Verdrängung

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Stühle und Plakate von Hand zu Hand: Um gegen die Verdrängung von Alteingesessenen zu protestieren, lud das BAIZ zum Umzug.

In diesen Tagen schließt in Mitte eine linke Kneipe mit Tradition. Das BAIZ wird es in der Christenstraße/Ecke Torstraße nicht mehr geben. Am Sonntag ließ sich das linke Kneipenkollektiv eine besondere Umzugsaktion einfallen. Mit einer Menschenkette vom bisherigen Domizil zum neuen Standort in der Wörther Straße ging nicht nur das Mobiliar von Hand zu Hand. Die Teilnehmer protestierten gleichzeitig dagegen, dass Mieter und Projekte mit wenig Geld aus der Gegend verschwinden müssen. Sie zeigten Plakate, auf denen die Namen von Projekten standen, die in den letzten Jahren verschwunden oder aktuell bedroht sind.

Fast wäre das BAIZ ebenfalls davon betroffen gewesen. Mehr als zehn Jahre gab es dort Getränke zu Preisen, die man in Mitte längst nicht mehr vermutete. Linke Gruppen organisierten politische Veranstaltungen und die Kinoabende waren bekannt für anspruchsvolle, sozialkritische Filme. Dass das Programm demnächst an dem neuen Standort fortgesetzt werden kann, war einem Zufall zu verdanken. Vor knapp einen Monat habe man von einer Bekannten erfahren, dass die Räume frei werden. »Das war Glück in letzter Minute«, berichtet BAIZ-Kneipenwirt Matthias. Mit dem Umzug ist die Kneipe langfristig gesichert. Das Kneipenkollektiv hat den neuen Laden gekauft.

Zunächst war Matthias noch skeptisch ob sich für die Menschenkette genügend Unterstützer finden würden. Doch in den letzten Wochen war der Zuspruch nicht nur von den Stammgästen gewachsen. Auch Bewohner aus der Nachbarschaft, die nicht zu den Kneipengästen gehörten, hatten sich an der Kette beteiligt, darunter Eltern mit Kinderwagen und Rentner. Schließlich ist gerade in Mitte die Angst groß, die Miete nicht mehr bezahlen zu können. Davon sind die Besitzer kleiner Läden, Kneipen und Ateliers genauso betroffen wie Wohnungsmieter.

»Auch wenn wir jetzt noch mal Glück hatten, wollten wir unsere ›Popularität‹ für ein politisches Signal nutzten«, begründete Matthias die Aktion. Bei den meisten Mietern laufe die Verdrängung im Stillen ab. Das BAIZ hingegen ist sofort an die Öffentlichkeit gegangen, als im Herbst 2012 das Haus seinen Besitzer wechselte. Das Gebäude wurde an die Zelos Properties GmbH verkauft. Bei Recherchen stießen die Mieter auf personelle Überschneidungen mit der im Zusammenhang mit Schrottimmobilien ins Gerede gekommenen Grüezi Real Estate AG. Zelos wirbt auf ihrer Homepage mit einer »ausgeprägten Kulturszene« in der Umgehung der Christinenstraße, um lukrative Käufer der Eigentumswohnungen anzulocken. Für das Haus selber wird allerdings eine kulturelle und gastronomische Weiternutzung kategorisch ausgeschlossen. Dabei gab es in den Räumlichkeiten schon in der DDR subkulturelle Kneipen mit den Namen Bummelant, Chapiteau oder Dom kultury Berlin.

Die neuen Eigentümer planen in den Räumen ein weiteres Büroprojekt. Damit ist eine Zielgruppe angesprochen, die in angesagte Szenebezirke zieht, aber auf keinen Fall einen Club oder ein Restaurant in der Nachbarschaft haben will. Aber nicht nur die Kneipe, auch die bisherigen Mieter sind in den Plänen der Zelos GmbH nicht vorgesehen. Auf ihrer Homepage wird das Haus als »Altbau aus der Jahrhundertwende« in exklusiver Umgebung beworben. Adidas und Soho House sollen »das hohe Niveau der Nachbarschaft« garantieren, mit dem Zelos vermögende potenzielle Käufer gewinnen will.

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