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Halbnackter Protest an der Weser

Die Entlassungspläne des Brauerei-Riesen ABInBev sorgen für Unmut in Bremen

  • Alice Bachmann, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.
Die traditionsreiche Brauerei Beck’s hat ihren Sitz in Bremen. Seit die Konzernmutter erklärte, jeden zehnten Mitarbeiter in der Verwaltung zu entlassen, reißen die Proteste an der Weser nicht ab.

Im kleinsten Bundesland, der Freien Hansestadt Bremen, befindet sich die Deutschlandzentrale der größten Brauerei-Gruppe der Welt, der InBev-Group. Jedes fünfte aus Deutschland exportierte Bier kommt aus Bremen. Der europäische Teil des Konzerns heißt Anheuser-Busch-InBev (ABInBev) und hat seinen deutschen Hauptsitz an einem ebenso traditionellen wie beschaulichen Brau-Ort direkt in der Bremer City unter riesigen Bäumen am linken Weser-Ufer. Rund 1500 Angestellte arbeiten hier - noch. Denn der die größte Brauereigruppe der Welt hat vor rund einem halben Jahr angekündigt, etwa jede zehnte Stelle an diesem Standort zu streichen. Europaweit will man wegen sinkender Umsätze etwa 10 Prozent der Arbeitsplätze streichen.

Seitdem laufen die Hanseaten Sturm und versuchen zum Teil überaus kreativ, die Streichungen zu verhindern. Nicht nur heimische Politiker weisen immer wieder auf die Bedeutung ABInBevs für Bremen und Bremens für den Konzern hin. Auch der Betriebsrat versuchte, in zunächst inoffiziellen Gesprächen die Möglichkeiten einer Einigung auszuloten. Bisher vergebens.

Und dann sind da noch lauter Solidaritätsaktionen von halb-nackten männlichen »Bierfemen« über Soli-Konzerte lokaler Rockbands bis hin zur groß angelegten Aktion »Bier braucht Heimat«. Letztere arbeitet mit Aufklebern, die überall in der Stadt zu finden sind, und über sozialen Netzwerke wie »Facebook«.

Angespielt wird mit dem Slogan auf die lange Tradition der beiden »Zugpferde« aus Bremen. Die Marke »Beck's« gehört weltweit zu den meist verkauften Biersorten. Die Marke »Haake Beck« wiederum gehört zu den unangefochtenen Lokalmatadoren. Will sagen: In und um Bremen wird Haake getrunken. Zum Teil einfach, weil es Lokalkolorit hat.

Vor fast 200 Jahren gründete Cord Hinrich Haake eine Brauerei in Bremen, die etwa 100 Jahre später mit der »Kaiserbrauerei Beck« fusionierte zu »Haake Beck«. Als der InBev-Konzern - damals noch »Interbrew«- - 2002 »Haake Beck« übernahm und zwei Jahre später die Brauerei-Kutsche mit samt Pferden abschaffte, gab es große Proteste aus der Bevölkerung. Denn das Ausfahren des Biers im Innenstadtbereich mit einer Kutsche voller Eichenfässer und großen schwarzen Pferden gehörte gefühlt zur Hansestadt wie die Roland-Statue. Darüber hat sich inzwischen die Entrüstung gelegt.

Aber nun ist die Empörung weit größer. Der Konzern erklärt sich selbst auf seiner Homepage zum besten Brauereikonzern, was bedeute, »die besten Mitarbeiter zu haben«. Das Bekenntnis hindert den Konzern offensichtlich nicht daran, ein Zehntel der Stellen abbauen zu wollen.

Nicht nur auf dem Bremer Weihnachtsmarkt, vor dem Weserstadion bei Werder-Spielen und bei Konzerten wird nun Solidarität mit den Konzern-Beschäftigten demonstriert. Mit der multimedialen Aktion »Bier braucht Heimat« wird auch die Sorge zum Ausdruck gebracht, einer der großen Identifikationsfaktoren Bremens, nämlich wichtiger Brauerei-Standort zu sein, könnte an Gewicht verlieren.

Ein paar Männer gingen sogar soweit, am Dreikönigstag zur Bremer »Eiswette« mit freiem Oberkörper für das heimische Bier zu demonstrieren. Die selbst ernannten »Bierfemen« nutzten die fast 200 Jahre alte Wette, ob die Weser fließt oder gefroren ist, um für die fast so alte Brauerei zu werben. Zu dieser Wett-Prozedur kommen jedes Jahr mehrere Tausend Schaulustige.

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