Architekt: Der BER wurde dreimal geplant

Schwere Vorwürfe gegen Flughafengesellschaft / Aufsichtsräte für Weiterbetrieb von Schönefeld

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 4 Min.
Während Mitglieder des Aufsichtsrates von Hartmut Mehdorn endlich einen Eröffnungstermin fordern, sagt ein Architekt, warum die bisherigen nicht klappten.

Bundesstaatssekretär Rainer Bomba (CDU) ist mittlerweile »ungeduldig und auch etwas sauer«, wenn es um den BER geht. »Ich brauche keine Nebenkriegsschauplätze, ich brauche Fortschritt, ich brauche Termine und ich brauche Kosten«, sagte er gestern bei einem Treffen der Flughafenspitze. Bomba ist Chef des Projektausschusses des BER-Aufsichtsrates und hätte gern einen Eröffnungstermin gewusst. Doch den konnte Flughafenchef Hartmut Mehdorn auch gestern nicht nennen. Erst »zwölf Monate vor Inbetriebnahme« soll es soweit sein, erklärte er gestern nicht zum ersten Mal und nun auch den Aufsichtsratsmitgliedern. Damit wird eine Eröffnung erst 2016 immer wahrscheinlicher.

Wohlwollend nahm der Projektausschuss Mehdorns Idee zur Kenntnis, den alten Schönefelder Flughafen für Billigflieger offen zu halten, weil der BER, falls er jemals in Betrieb geht, schon seine Kapazitätsgrenze erreicht haben wird. »Wir verschaffen uns damit etwas Luft«, so Bomba. Er nannte Mehdorn einen »exzellenten Manager«, aber er müsse jetzt auch deutlich machen, »wo seine Erfolge liegen«. Die Firma Siemens könne seit Monaten nicht mit dem Umbau der Brandschutzanlage beginnen, weil der Flughafen noch nicht alle Pläne geliefert habe. Ein Siemenssprecher teilte laut dpa inzwischen mit, dass für die ersten Segmente Pläne vorliegen, die das Unternehmen jetzt für seine Arbeiten nutzen könne. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) stärkte Mehdorn erneut den Rücken. »Herr Mehdorn hat seine Position und die hat er vertreten. Insofern kämpft er für die Interessen des Flughafens«, sagte Wowereit und bezog sich auf den Widerstand des Flughafenchefs gegen ein striktes Nachtflugverbot. »Da hat er die volle Unterstützung des Landes Berlin und auch des Bundes.«

Warum die bisherigen Eröffnungstermine platzten, war gestern Thema im Abgeordnetenhaus. Im Untersuchungsausschuss des Parlaments sagte Hans-Joachim Paap aus, Chefplaner des Terminals und Projektleiter der Planungsgemeinschaft (PG) BBI, zu der sich die Architekturbüros von Gerkan, Marg und Partner und JSK sowie die Ingenieurgesellschaft Kruck zusammengeschlossen hatten. Der Gemeinschaft wurde von der Flughafengesellschaft die Hauptverantwortung für das Chaos-Projekt zugeschoben, weshalb sie nach der zweiten Terminabsage im Mai 2012 gefeuert wurde. Nach der Anhörung gestern verstärkt sich der Eindruck, dass dies als Bauernopfer zu werten ist. Inzwischen hat Mehdorn Paap in sein Sprintteam zurückgeholt.

Für Paap jedenfalls steht fest: »Die Hauptverantwortung für das Desaster liegt bei der Flughafengesellschaft (FBB)«. Deren kleinteilige Auftragsvergabe, mangelnde Kooperationsbereitschaft, die späte Reaktion auf die verschärften Sicherheitsanforderungen durch die EU und vor allem die ständigen Änderungswünsche des Flughafens hätten dazu geführt. 286 hat er insgesamt gezählt, die vor allem mit der Vergrößerung des Terminals zusammenhingen. Als es kritisch wurde, habe der Bauherr zwar Planänderungen verboten, dies aber selbst immer wieder unterlaufen. Paap illustrierte das damit, dass der ursprüngliche Bauantrag 2,4 Millionen Euro an Gebühren gekostet habe, am Ende seien 5,1 Millionen dazu gekommen. »Das heißt, wir haben den BER dreimal geplant«.

Mehrmals geriet der 54-Jährige bei seinem Vortrag ins Stocken, so nah ging ihm die Sache. »Der Flughafen ist seit 17 Jahren Teil meines Lebens, schon in meiner Diplomarbeit habe ich mich damit beschäftigt.« Besonders getroffen hat ihn der Vorwurf, über den Zustand der Baustelle getäuscht zu haben. Schon ab Dezember 2011 hätten in den Monatsberichten der PGBBI rote Pfeile u.a. bei den Themen Sicherheitstechnik, Entrauchung, Gebäudeautomation angezeigt, dass die Fertigstellung gefährdet ist. In den Statusberichten des Projektsteuerers an den Aufsichtsrat seien die roten Pfeile dann in gelbe Ampeln umgewandelt worden. »Vorsätzliche Fälschung der Fakten«, warf Paap der FBB vor. Er sei es dann gewesen, der die Verantwortung für die Absage des Eröffnungstermins 3. Juni 2012 übernommen habe, indem er seine Unterschrift unter die Fertigstellungsanzeige verweigerte. Andere wie der damalige FBB-Geschäftsführer Manfred Körtgen hätten dazu nicht den Mut gehabt.

Grund für die Absage war der nicht funktionierende Brandschutz. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte der Flughafen laut Paap nicht in Betrieb gehen können. Denn kurz vor dem Eröffnungstermin seien die Notstromversorgung und die Parkhäuser noch nicht von Gutachtern abgenommen gewesen, eine Datenverbindung zur Feuerwehr habe gefehlt. Eine Inbetriebnahme im Juni 2012 wäre in jedem Fall schiefgegangen: »Wir hätten ihn auf- und gleich wieder zugemacht.«

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