Bloß kein Risiko

Ukrainekonflikt und Steuerpolitik bleiben im grünen Europawahlkampf weitgehend außen vor

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Grünen setzen vor der Europawahl auf Themen, bei denen sie sich einig sind. Interne Kontroversen werden auf die Zeit nach der Wahl verschoben.

Nach ihrer Niederlage bei der Bundestagswahl wagen die Grünen nun vor der Europawahl am 25. Mai keine Experimente. Das wird schon bei der Auswahl der Wahlplakate deutlich. Dort werden die Bürger anders als im Sommer letzten Jahres nicht mehr mit einem aufdringlichen »Und Du?« angesprochen. Stattdessen sollen fliegende Gänse und glückliche Hühner eine Zukunft symbolisieren, in der es keine Massentierhaltung sowie Atomkraftwerke mehr gibt und die Erderwärmung gestoppt wurde.

Dagegen spielen Steuerpolitik und Umverteilung keine große Rolle. Bei der Präsentation der Wahlkampagne sprach der deutsche Spitzenkandidat und Vertreter der eher linken Grünen, Sven Giegold, nur vom »Austrocknen der Steueroasen«, um den staatlichen Haushalten zu helfen. Im Unterschied zum eher linken Flügel der Partei wollen Realos wie Fraktionsvize Kerstin Andreae und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Steuererhöhungspläne der Grünen aus dem Bundestagswahlkampf deutlich abschwächen. Dieser Flügelstreit soll auf die Zeit nach der Europawahl verschoben werden.

Ebenfalls außen vor bleibt auf den grünen Plakaten zunächst der Konflikt um die Ukraine, obwohl sich die deutsche Spitzenkandidatin Rebecca Harms bei den Protesten auf dem Maidan engagiert und den Umsturz in Kiew begrüßt hatte. In der Partei wird bezweifelt, dass die Ukraine ein großes Mobilisierungsthema sein kann. Denn in ihrer Haltung unterscheiden sich die Grünen hier kaum von Union und SPD. Die Grünen können sich also bei diesem Thema - anders als die Linkspartei - nicht als Oppositionskraft profilieren. »Wir stimmen weitgehend mit der Ukrainepolitik der Bundesregierung überein«, bestätigte auch Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, der erstmals einen Wahlkampf seiner Partei managt.

Ganz anders präsentierte sich in den vergangenen Wochen die wahlkämpfende Europäische Grüne Partei. Deren Chef Reinhard Bütikofer hatte im Internet eine Montage präsentiert, die LINKE-Vize Sahra Wagenknecht vor russischen Soldaten zeigte. Bei den Grünen hatte dies zum Teil Zustimmung, aber auch viel Kritik ausgelöst. Für die Europäische Grüne Partei wird die Dachkampagne für die Wahl gemeinsam von der Firma Joschka Fischer & Company (JFC) und der Berliner Werbeagentur KKLD organisiert.

Die deutschen Grünen halten hingegen Abstand zu dem früheren Außenminister und heutigen BMW- und Rewe-Lobbyisten Fischer. Für die Gestaltung ihrer Plakate haben sie - wie schon vor der Bundestagswahl - die Agentur Zum goldenen Hirschen beauftragt. Allerdings können einzelne Kreisverbände der Grünen auch in Deutschland bei Bedarf auf die von Fischers Firma mitorganisierte Kampagne zurückgreifen. Das teilte Parteisprecher Jens Althoff dem »nd« mit.

Fraglich ist, ob grüne Kreisverbände überhaupt mit Fischers Firma in Verbindung gebracht werden wollen. Denn der frühere Grünen-Frontmann ist auch wegen seiner herablassenden Statements über die Partei nicht sonderlich beliebt. So hatte Fischer etwa nach der Bundestagswahl behauptet, es sei ein fataler Fehler gewesen, die Grünen »strategisch auf einen Linkskurs zu verringern«.

Hinzu kommt, dass die Kampagne der Unternehmensberater um Fischer bisher alles andere als erfolgreich war. Als sie Ende letzten Jahres ihre Tätigkeit begannen, hatte die Europäische Grüne Partei bereits beschlossen, ihre beiden Spitzenkandidaten per Urwahl zu küren. Daraufhin standen die Werbeleute vor der Frage, was man machen könne, um die Menschen dazu zu bewegen, im Internet für einen grünen Spitzenkandidaten zu votieren. Statt auf politische Inhalte zu setzen, wurde im Internet mit Katzenmotiven für die Urwahl der Grünen geworben. Denn diese Tiere gelten bei jungen Menschen in sozialen Netzwerken als besonders beliebt, lautete die bizarr anmutende Argumentation.

Viele Wähler der Grünen konnten damit offenbar nichts anfangen. Die weitgehend inhaltsleere Aktion endete in einem Desaster. Zu Beginn der Urwahl hatte die Partei mit einer europaweiten Beteiligung von mindestens 100 000 Menschen gerechnet. Es stimmten aber nur 20 000 ab. Gewählt wurden der Franzose José Bové und die Brandenburgerin Ska Keller. Dass die maue Beteiligung ein schlechtes Omen für die Europawahl sein könnte, glauben die Grünen natürlich nicht. Sie hoffen auf ein zweistelliges Ergebnis.

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